Paris will engeren Dialog mit Berlin in der Eurokrise
Premierminister Jean-Marc Ayrault betonte, Frankreich wolle keine Front gegen Merkel aufbauen.
Paris - Im Ringen um eine Lösung in der Euro-Krise will Paris in Zukunft eine engere Zusammenarbeit mit Berlin. Frankreich tritt dem Eindruck entgegen, dass Präsident Francois Hollande eine Allianz gegen die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel schmiedet. Der französische Premierminister Jean-Marc Ayrault sprach sich am Freitag für einen „stärkeren Dialog“ der beiden Seiten aus; Deutschland und Frankreich müssten „Hand in Hand“ eine Lösung finden. Zugleich versicherte der Sozialist, dass Frankreich „absolut“ keine Front gegen die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel aufbaue.
Ayrault: „Engere Abstimmung mit Berlin“
Ayrault, der in dem Interview mit dem französischen Radiosender Europe 1 streckenweise auf Deutsch sprach, plädierte eindringlich für eine engere Abstimmung mit Berlin. Er sei sich sicher, dass gemeinsam beim EU-Gipfel am 28. und 29. Juni eine Lösung für die Krise gefunden werde. „Das läuft über einen stärkeren Dialog als das bisher stattgefunden hat.“ Nachdrücklich wies er auch den Eindruck zurück, dass Frankreich zusammen mit anderen EU-Ländern eine Allianz gegen Merkel schmieden wolle: Dies wäre „der falsche Weg“ und ein „schwerer politischer Fehler, der zu keiner Lösung führen würde“, sagte er.
Ayrault, der als Deutschland-Kenner mit engen Kontakten nach Berlin bekannt ist, hatte am Donnerstagabend Kritik an der Haltung der deutschen Regierung erkennen lassen. Er warnte vor „zu einfachen Formeln“, nachdem sich Merkel zuvor in Berlin gegen „scheinbar einfache Vergemeinschaftungslösungen“ in Europa gewandt hatte. Gefordert werden von der französischen Regierung unter anderem gemeinsame europäische Anleihen, sogenannte Eurobonds. Ayrault hob am Freitag aber hervor, dass sich seine Bemerkung nicht direkt gegen Merkel gerichtet habe, sondern an alle europäischen Verantwortlichen.
Hollande verlangt Fantasie und Kreativität
Hollande hatte nach einem Treffen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti am Donnerstagabend in Rom erklärt, er werde sich beim anstehenden EU-Gipfel Ende Juni für eine Reihe von Maßnahmen einsetzen, um Wirtschaftswachstum und Finanzstabilität zu fördern. Dabei seien Fantasie und Kreativität nötig. Bereits am 22. Juni ist ein Treffen von Merkel, Hollande, Monti und dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy in Rom zur Vorbereitung des EU-Gipfels geplant.
Zur Vertiefung der beschlossenen Fiskalunion warb Hollande bei seinem Besuch in Rom erneut für die Einführung einer Börsensteuer sowie gemeinschaftlicher Euro-Anleihen. Zudem soll der permanente Rettungsmechanismus ESM nach den Vorstellungen Hollandes eine Bankenlizenz erhalten, damit er zur Stärkung seiner Feuerkraft Geld direkt von der Europäischen Zentralbank Geld bekommen kann. Bundeskanzlerin Merkel lehnt eine Vergemeinschaftung der Schulden in der Euro-Zone ab.
Hollande hat die Ergänzung des Fiskalpaktes zur Haushaltsdisziplin um eine Wachstumskomponente zu seiner zentralen Forderung in der EU-Krisenpolitik gemacht. Merkel ist offen für eine Stärkung des Wachstums, lehnt aber schuldenfinanzierte Programme ab.
Scharfe Kritik an SPD-Treffen mit Hollande
Zudem war in der Berliner Koalition scharfe Kritik an dem Treffen der SPD-Führung mit Hollande und Ayrault am Mittwoch in Paris geäußert worden. Der französische Präsident hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel, SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück sogar im Elysée-Palast empfangen, was für Oppositionspolitiker eines Nachbarlandes höchst ungewöhnlich ist.
Ayrault hob nun hervor, dass Merkel die Opposition für die Zustimmung zum Fiskalpakt brauche. Es sei daher „normal“, dass Paris auch mit den Sozialdemokraten diskutiere. Auch die SPD-Spitze hatte nach den Treffen in Paris versichert, es gehe nicht darum, eine „Front“ gegen Merkel aufzubauen.
Die konservative Opposition in Frankreich hielt den Sozialisten vor, durch ihre Politik würden sich die Beziehung zu Deutschland verschlechtern. UMP-Chef Jean-François Copé nannte es am Freitag im Sender i-TELE „beunruhigend“, wie Hollande mitten in der Krise „jeden Tag“ Deutschland herausfordere. Es gehe nicht um eine „Kraftprobe“ mit Berlin.
Der französische Industrieminister Arnaud Montebourg vom linken Flügel der Sozialisten attackierte Merkel indes erneut scharf. „Bestimmte europäische Führungspolitiker, Frau Merkel vorneweg, sind mit ideologischer Blindheit geschlagen“, sagte er am Donnerstag in einem Interview. Der Sparkurs, den die deutschen Konservativen Europa aufzwingen würden, sei ein „gewaltiges Problem“ und habe bereits sieben Euro-Länder in die Rezession geführt. (APA/AFP/Reuters)