Höchstgericht prüft zwei Fälle in Osttirol
Im Streit um die Entstehung der Osttiroler Agrargemeinschaften in der NS-Zeit geht es erneut darum, wem das Gemeindegut gehört hat.
Von Peter Nindler
Innsbruck –Die Übertragung von Gemeindegut an Agrargemeinschaften in Osttirol während der NS-Herrschaft („Haller‘sche Urkunden“) sorgt seit Donnerstag für heftige Debatten. Zumindest 113 solcher Regulierungsverfahren wurden vom damals zuständigen Agrarbehördenleiter, Wolfram Haller, durchgeführt. Liste Fritz/Bürgerforum und Grüne erkennen darin dieselbe Systematik, wie sie später bei der Entstehung von rund 250 Agrargemeinschaften in den 50er und 60er Jahren von der Agrarbehörde in der Tiroler Landesregierung angewandt wurde.
Im Kern geht es einmal mehr um die Begrifflichkeit: Gemäß der Verordnung vom 15. September 1938 über die Einführung der Deutschen Gemeindeordnung in Österreich nach dem Anschluss an Hitler-Deutschland wurden Ortschaften, Fraktionen und ähnliche in einer Gemeinde bestehenden Verbände, Körperschaften und Einrichtungen aufgelöst. Rechtsnachfolger war die Gemeinde. Agrarbehördenchef Haller ging jedoch davon aus, dass es sich bei Fraktionen vornehmlich um bäuerliche Gebilde mit landwirtschaftlichen Nutzungen gehandelt habe. Flächendeckend hat er deshalb Fraktions- und Gemeindegut an zu bildende Agrargemeinschaften übertragen.
Agrarreferent LHStv. Toni Steixner (VP) wehrt sich dagegen, die Agrargemeinschaftsdebatte politisch mit NS-Vorgehensweisen zu verknüpfen. Die Frage, ob diese Übertragungen in Osttirol rechtmäßig waren, wird 70 Jahre danach bereits vom Verwaltungsgerichtshof überprüft. Zwei Fälle sind anhängig.
Demgegenüber steht jedoch das erste richtungsweisende Verfassungsgerichtshoferkenntnis aus dem Jahr 1982 zu den Agrargemeinschaften, das jedoch knapp 30 Jahre ignoriert wurde: Darin wird explizit darauf verwiesen, dass das Gemeinderecht seit der Einführung der Deutschen Gemeindeordnung am 1. Oktober 1938 Ortschaften und Fraktionen innerhalb der Gemeinde nicht mehr kennt.
Rechtsanwalt Bernd Oberhofer, der viele Osttiroler Agrarier vertritt, forderte die Regierung und den Landtag gestern auf, eine Historikerkommission einzusetzen. Sie solle prüfen, inwieweit Agrargemeinschaften das Ergebnis von NS-Unrecht sind.