Kardinal-Kommissare erstatten Papst Bericht
Papst Benedikt hat Mitglieder der Untersuchungskommission getroffen. Der Rapport der Dreiergruppe lässt auf eine Zäsur schließen.
Vatikanstadt – Das Ungewöhnliche ist nicht das Treffen an sich, sondern die Tatsache, dass der Vatikan die Begegnung von Benedikt XVI. mit seinen drei Kardinal-Kommissaren offiziell mitteilte. Am Samstagnachmittag empfing der Papst den Spanier Julian Herranz, den Slowaken Jozef Tomko und den Süditaliener Salvatore De Giorgi in Audienz, hieß es laut Kathpress im Bollettino des Presseamtes. Die drei sollten in seinem Auftrag dem Geheimnisverrat an der Kirchenspitze nachgehen. Und neben den Ermittlungen der vatikanischen Gendarmerie sollten sie auch Prälaten, Bischöfe und Kardinäle zum Gespräch bitten dürfen.
Über den Inhalt der Papstaudienz wie über die bisherigen Erkenntnisse der eminenten Sonderkommission wurde im Vatikan nichts mitgeteilt. Aber der Rapport der Dreiergruppe - nach mehreren nicht-vermeldeten Gesprächen des Papstes mit Herranz - lässt auf eine Zäsur schließen.
Kardinäle und Gendarmerie ermitteln
Die drei Kardinäle wie die Gendarmerie sollen ermitteln, wie die Dokumente vom Schreibtisch des Papstes oder seines Privatsekretärs Prälat Georg Gänswein verschwinden konnten. Sie sollen Umstände, mögliche Hintermänner und Helfershelfer des bisher einzigen Verhafteten, des päpstlichen Kammerdieners Paolo Gabriele, zu klären versuchen. Und sie sollen die Motive für den gezielten Geheimnisverrat zu ergründen versuchen.
Denn dass Gabriele seine Vertrauensposition ausgenutzt hat und die Papiere aus den Räumen seines Arbeitgebers mitgehen ließ, daran zweifeln allenfalls kreative Verschwörungstheoretiker. Aber nach den Vorermittlungen des vatikanischen Staatsanwalts Nicola Piccardi wie nach ersten Vernehmungen durch Richter Piero Antonio Bonnet ist bisher nichts Handfestes bekanntgeworden: Nichts, was die Thesen vom wohlmeinenden Einzeltäter, vom Freundeskreis der Verschwörer, vom Machtkampf an der Kurienspitze oder vom aus dem Ausland gesteuerten Komplott erhärten oder widerlegen könnte. Es gibt nur etliche Ungereimtheiten: Warum ein kirchentreuer Familienvater seine gesamte Existenz aufs Spiel setzt. Und warum er die „Beweise“ nicht vorher vernichtet hat oder verschwinden ließ.
Frage nach Hintergründen und Motiven von Vatileaks
Wichtig sind für den Vatikan vor allem die Hintergründe und Motive von Vatileaks. Was genau welchen Unmut und Ärger auslöst hat. War es, wie mancher mutmaßt, die Versetzung von Vize-Gouverneur Carlo Maria Vigano, der in der vatikanischen Staatsverwaltung aufräumen wollte, die die Enthüllungen in Gang gebracht hat? Und gegen wen richtet sich die Attacke? Will man Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone schaden, und/oder gegen Privatsekretär Gänswein, oder gar dem Papst selbst? Oder soll die Institution der Kirche beschädigt und unglaubwürdig gemacht werden?
Nach mehrtägiger Pause soll in der neuen Woche die Befragung Gabrieles fortgesetzt werden. Inzwischen hat Bonnet das Material gesichtet, und auch die Verteidiger des Kammerdieners konnten sich weiter in den Fall einarbeiten. Und neben dem Straftatbestand des schweren Diebstahls wird es demnächst auch um die disziplinarrechtliche und innerkirchliche Seite des Delikts gehen.
Die „Generalverordnung der Römischen Kurie“ von 1999 bezeichnet in Artikel 76 die „Verletzung des päpstlichen Geheimnisses“ als Kündigungsgrund. Das Bürogeheimnis sei „rigoros zu achten“ (Art. 36), Akten oder Nachrichten dürften keinem Unbefugten überlassen werden; und das gelte ganz besonders für das „Päpstliche Geheimnis“. Dessen Verletzung wird im Amtseid, den alle Kurialen leisten müssen, als „schwere Sünde“ bezeichnet. (APA)