„An Griechenlands Platz in Europa besteht kein Zweifel“: Konservative stärkste Kraft
Griechenland hat gewählt und die Eurobefürworter haben sogar eine rechnerische Mehrheit. Können sich die Parteiführer diesmal zusammenraufen - anders als nach der Wahl vor sechs Wochen?
Athen, Brüssel – Ja zum Euro, Ja zu zur EU und Jein zum Sparpakt: Bei der Parlamentswahl in Griechenland am Sonntag hat sich ein rechnerischer Sieg der Euro-Befürworter abgezeichnet. Nach Auszählung von rund 97 Prozent der Stimmen wird die konservative Partei Nea Dimokratia (ND) mit knapp 30 Prozent stärkste politische Kraft. Falls die ebenfalls pro-europäischen Sozialisten (PASOK) eine Regierungskoalition eingehen, würden beide Parteien über 162 der 300 Sitze verfügen. Beide Parteien wollen zwar den Reform- und Sparkurs fortsetzen, aber mit den Geldgebern über Erleichterungen nachverhandeln. Das Bündnis der radikalen Linken (SYRIZA), das den Sparpakt aufkündigen will, wurde mit knapp 27 Prozent zweitstärkste Kraft.
Auch Finanzmärkte zitterten
In letzter Konsequenz ging es bei der Wahl am Sonntag um die Frage, ob Athen in der Eurozone bleibt oder zur Drachme zurückkehrt - mit unabsehbaren Folgen. Deshalb schauten sowohl die EU als auch die internationalen Finanzmärkte mit bangen Blick auf den Ausgang der Schicksalswahl. Die Nervosität an den Finanzmärkten ist nicht nur wegen Griechenland, sondern auch angesichts der Probleme in Spanien und Italien extrem hoch.
Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise sieht „harte Wochen mit Unsicherheiten“ für die Bürger und Finanzmärkte bevorstehen. Die Parteien in Griechenland hätten rund vier Wochen Zeit, bis die nächsten größeren Zahlungen für Griechenland aus den Hilfspaketen freigegeben oder gestoppt würden. Sollte Griechenland keine Hilfe mehr bekommen, droht ein Staatsbankrott mit anschließendem Austritt aus der Eurozone.
„Es wird keine Abenteuer mehr geben“
Der Parteichef der Konservativen, Antonis Samaras, erklärte in seiner Siegesrede, das Volk habe die Politiker gewählt, die für Wachstum und Verbleib im Euroland seien. Das Land werde seine Verpflichtungen erfüllen und mit den europäischen Partnern an Fortschritten in der Wachstumspolitik arbeiten. „Es wird keine Abenteuer mehr geben, an Griechenlands Platz in Europa besteht kein Zweifel.“ Der Konservative rief alle politischen Kräfte auf, sich an der Regierung zu beteiligen. Samaras hatte zwei Jahre mehr Zeit zur Umsetzung der Sparauflagen gefordert.
Der Parteichef der Sozialisten, Evangelos Venizelos, schlug die Bildung einer möglichst breiten Regierung aus Konservativen, Sozialisten, radikalen sowie gemäßigten Linken vor. Anos Skourletis, Sprecher der Radikallinken, bezeichnete alle Diskussionen über die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit als lächerlich. SYRIZA-Chef Alexis Tsipras sagte, seine Partei wolle stärkste Oppositionskraft bleiben. Das Volk habe innerhalb von sechs Wochen zum zweiten Mal das Sparpaket verurteilt.
Bei der Parlamentswahl schnitt auch die faschistische Partei Goldene Morgenröte wieder gut ab. Sie erreichte 6,9 Prozent. Die rechtskonservativen Unabhängigen Griechen erhalten 7,4, und die gemäßigte demokratische Linke 6 Prozent. Die Kommunisten kommen demnach auf 4,5 Prozent.
Erleichterung bei der EU
Bei der Europäischen Union zeigte man sich erleichtert über den Wahlausgang. „Wir begrüßen heute den Mut und die Ausdauer der griechischen Bürger“, erklärten EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. „Wir hoffen, das die Wahlergebnisse rasch die Bildung einer Regierung erlauben.“
Die Euro-Finanzminister erwarten von einer neuen Regierung in Griechenland die Fortführung des vereinbarten Spar- und Reformprogramms. Das teilte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker in einer Erklärung mit. Dem Vernehmen nach gab intensive Kontakte zwischen den obersten Kassenhütern. Sparkurs und Strukturreformen seien „Griechenlands beste Garantie, die gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen zu überwinden und eine erfolgreichere Zukunft in der Eurozone (...) zu haben“, hieß es in der Erklärung. Und weiter: „Die Eurogruppe bekräftigt ihr Engagement, Griechenland bei der Anpassung zu helfen (...).“ Die Eurogruppe schätze die Anstrengungen, die bereits von den griechischen Bürgern geleistet wurden.
Merkel gratuliert Samaras
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte telefonisch Samaras, zum „guten Wahlergebnis“. Wie eine Regierungssprecherin in Berlin mitteilte, habe die Kanzlerin dabei aber auch deutlich gemacht, dass sie davon ausgehe, dass Griechenland sich an seine europäischen Verpflichtungen halte. Den Plänen des 37-jährigen Tsipras erteilte sie erneut eine klare Absage.
Finanzminister Wolfgang Schäuble hat das mit Griechenland gemeinsam erarbeitete und vereinbarte Reformprogramm nur einen Zweck: Griechenland zurück auf den Weg wirtschaftlicher Prosperität und Stabilität zu führen. „Der Weg dorthin ist weder kurz noch leicht, aber er ist unvermeidlich. Und er eröffnet dem griechischen Volk die Perspektive auf eine bessere Zukunft“, ließ Schäuble mitteilen.
Deutschland ist der größte, einzelstaatliche Geldgeber des finanziell schwer angeschlagenen griechischen Staates im Rahmen von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF), die auf harte Sparauflagen im Gegenzug für das im März vereinbarte Rettungspaket über 130 Milliarden Euro bestehen.
Faymann hofft auf proeuropäische Regierung
Wir hoffen auf eine proeuropäische Regierung in Griechenland, die Chance ist mit diesem Wahlergebnis gegeben.“ Das sagte Bundeskanzler Werner Faymann (S) angesichts der Hochrechnungen nach den Wahlen in Griechenland am Sonntagabend laut einer der APA übermittelten Aussendung.
„Wichtig ist, dass nach diesen Wahlen nun auch in Griechenland eine Politik verankert wird, die auf zwei Säulen steht: auf einem nachhaltigen Konsolidierungskurs mit Strukturveränderungen sowie auf Wachstum. Dabei müssen die ausverhandelten Bedingungen eingehalten werden, aber man soll der griechischen Bevölkerung auch Luft zum Atmen geben, zum Beispiel muss gesichert sein, dass die Menschen ausreichend mit Medikamenten versorgt werden können. Die Konsolidierung darf nicht ausschließlich auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen werden“, betonte der Kanzler.
Die griechische Bevölkerung habe bereits große Anstrengungen hinter sich gebracht, um die schwierige wirtschaftliche und soziale Situation zu meistern, in der sich das Land aktuell befinde. „Die bisherigen Anstrengungen dürfen nicht umsonst gewesen sein, ein stabiles Griechenland in einer gemeinsamen Währungszone ist im Interesse von uns allen, auch österreichische Arbeitsplätze sind von der Situation in Südeuropa abhängig“, so der Bundeskanzler.
Spindelegger über mögliches Wahlergebnis erleichtert
Außenminister Michael Spindelegger (V) hat sich am Sonntagabend angesichts der Hochrechnungen nach den Wahlen in Griechenland „erleichtert“ gezeigt, „dass die proeuropäischen Kräfte offenbar eine Mehrheit haben. Hoffentlich bleibt das auch beim Endergebnis so.“ Diese Ansicht sei auch von anderen EU-Politikern, mit denen er telefonischen Kontakt gehabt habe, geteilt worden, sagte Spindelegger in einem Telefonat mit der „ORF-ZiB 2-Spezial“ zu den Griechenland-Wahlen.
Bezüglich des weiteren Vorgehens der EU gegenüber Griechenland kann sich Spindelegger vorstellen, „dass es beim Zeitplan eine gewisse Beweglichkeit gibt.“ Dies hänge damit zusammen, das „wir gehört haben, dass es keine Medikamente mehr gibt, dass es Schwierigkeiten bei der Versorgung gibt.“
Griechenland wird Thema bei G20-Gipfel
Das Wahlergebnis in Griechenland wird auch den G-20-Gipfel am Montag und Dienstag in Mexiko beherrschen. Das US-Präsidialamt erklärte, es hoffe auf eine rasche Regierungsbildung und zügige Fortschritte bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Probleme. China begrüßte den Wahlausgang in Griechenland. „Wir sind überzeugt davon, dass Griechenland in der Euro-Zone bleiben sollte, um deren Integrität und Stabilität zu wahren“, sagte Vizefinanzminister Zhu Guangyao im mexikanischen Los Cabos.
Die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds (IWF) verlangen von der neuen griechischen Regierung, dass sie die harten Sparauflagen des im März vereinbarten Rettungspakets über 130 Milliarden Euro akzeptiert. Andernfalls soll dem Land der Geldhahn abgedreht werden. Zwar bekennen sich alle großen griechischen Parteien zu der Gemeinschaftswährung. Tsipras will im Falle eines Wahlsiegs aber die Bedingungen für die Finanzhilfen kippen. Er setzt darauf, dass die anderen Euro-Staaten die Schockwellen an den Finanzmärkten nicht riskieren werden, die ein Austritt der Griechen aus der Euro-Zone nach sich ziehen dürfte.
Eurogruppe - Griechenland soll am Reformprogramm festhalten
Die Euro-Finanzminister haben die Parteien in Griechenland unmittelbar nach der Neuwahl zum Festhalten am harten Spar- und Reformprogramm aufgefordert und Unterstützung zugesichert. Die Eurogruppe freue sich auf die rasche Bildung einer Regierung, die an dem Anpassungsprogramm festhalte, hieß es in einer Erklärung am Sonntagabend. Nach dem vorläufigen Wahlergebnis sei eine Regierung möglich, die das Land zurück auf einen nachhaltigen Wachstumspfad bringe.
„Die Eurogruppe bekräftigt ihre Zusage, Griechenland bei seinen Anpassungsanstrengungen zu helfen“, hieß es weiter. Strukturreformen und Schuldenabbau seien die beste Garantie, die Krise des Landes zu überwinden. Die Troika der Geldgeber aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds werde nach Athen zurückkehren, sobald es eine Regierung gebe. (APA/dpa/Reuters)