283.637 ohne Job: Arbeitslosigkeit im Juni um 5,5 Prozent gestiegen
Die nationale Arbeitslosenquote liegt nun bei 5,9 Prozent bzw. nach EU-Berechnung bei 4,1 Prozent. Österreich hat damit weiterhin die mit Abstand niedrigste Arbeitslosigkeit in der EU.
Wien - Die Euro-Staatsschuldenkrise und das relativ schwache heimische Wirtschaftswachstum belasten weiterhin den österreichischen Arbeitsmarkt. Seit August 2011 steigt die Zahl der Jobsuchenden in Österreich, nur im Jänner wurde ein Rückgang verzeichnet. Dennoch darf man sich hierzulande weiterhin über die niedrigste Arbeitslosigkeit der EU freuen. Die Oppositionsparteien forderten dennoch mehr Maßnahmen gegen die steigende Arbeitslosenzahlen. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) verwies darauf, dass Österreich sich „der europäischen Wirtschaftskrise nicht entziehen“ könne.
Die Zahl der Arbeitslosen ist per Ende Juni nach vorläufigen Daten im Vergleich zum Vorjahresmonat um 5,8 Prozent oder 12.126 Personen auf 220.070 gestiegen. Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der Schulungsteilnehmer um 2.645 (+4,3 Prozent) auf 63.567. Insgesamt waren damit 283.637 Menschen in Österreich ohne Job, um 5,5 Prozent mehr als im Juni 2011. Vor allem die Arbeitslosenquote von Personen über 50 legte mit 10,9 Prozent und bei Leiharbeitern mit 14,7 Prozent überdurchschnittlich stark zu. Die starke Zunahme der Arbeitslosigkeit von Behinderten um 15,8 Prozent liege vor allem an der verstärkten Erfassung, so das Ministerium.
Die Arbeitslosenquote lag nach österreichischer Berechnungsmethode im Juni bei 5,9 Prozent. Nach EU-Berechnung belief sich die heimische Arbeitslosenquote im Mai - das ist der aktuellste verfügbare Wert - auf 4,1 Prozent. Österreich hat damit weiterhin die mit Abstand niedrigste Arbeitslosigkeit in der EU. Auf den Rängen folgen die Niederlande und Luxemburg mit 5,1 bzw. 5,2 Prozent, im Schnitt der 27 EU-Staaten betrug die Arbeitslosenquote 10,3 Prozent.
Weiterhin niedrigste Quote innerhalb der EU
„Österreich hat weiterhin - und das seit 15 Monaten in Folge - die geringste Arbeitslosenquote in Europa“, versuchte Hundstorfer zu beruhigen. Der Sozialminister verwies auch auf die steigende Beschäftigung. Die Zahl der aktiv Beschäftigten hat sich per Ende Juni um 1,5 Prozent oder 51.000 Personen auf 3,402 Millionen erhöht. Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen ist um 11,8 Prozent oder 4.317 auf 32.336 zurückgegangen.
Kein gutes Haar an der Arbeitsmarktmarktpolitik der Regierung ließen traditionsgemäß die Oppositionsparteien: Die fehlende Offensive im Pflegebereich, aber auch die fehlenden konkreten Lösungen im Lehrlingsbereich seien über kurz oder lang eine tickende Zeitbombe, kritisierte FPÖ-Sozialsprecher Herbert Kickl. Er forderte Maßnahmen, um Lehrlinge und Facharbeiter in Österreich „solide auszubilden“. Die Grüne-Arbeitnehmersprecherin Birgit Schatz verwies auf den überdurchschnittlich starken Anstieg der Arbeitslosigkeit bei Leiharbeitskräften. Die „hire&fire“-Praxis der Unternehmen würde in keiner anderen Branche so hingenommen werden. Schatz forderte rasch eine Gesetzesvorlage zum Schutz der Leiharbeiter. Für BZÖ-Sozialsprecher Sigisbert Dolinschek ist die heimische Beschäftigungspolitik „schlicht und einfach völlig gescheitert“.
Österreich dürfe sich nicht auf den „vergleichsweise guten Beschäftigungswerten auszuruhen“, warnte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer. Dringend notwendig seien etwa eine „Flexibilisierung der Arbeitszeit, die Behebung des Fachkräftemangels und selbstverständlich auch eine Reduktion der Lohnzusatzkosten“. Außerdem müssten die Zugangsmöglichkeiten zu den Mangelberufen für Drittstaatsangehörige im Ausland verstärkt beworben werden. Bei der Rot-Weiß-Rot-Card für Arbeitsmigranten wurden im ersten Jahr seit Einführung mit 1.522 Bewilligungen „nicht so viele erteilt, wie erhofft“, so der IV-Generalsekretär.
Die Arbeiterkammer forderte mehr Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit: „Wir müssen den Jungen Chancen für die Zukunft ermöglichen, mit einem Recht auf Ausbildung, mit der vollen Unterstützung für das Projekt Jugendcoaching und mit hochwertiger Aus- und Weiterbildung“, forderte AK-Präsident Herbert Tumpel. Mittelfristig soll die EU eine Halbierung der Jugendarbeitslosigkeit festlegen.
Höherer Anstieg bei Männern
Der Anstieg der Arbeitslosigkeit fiel im Juni bei Männern (+7,1 Prozent auf 117.156 Personen) erneut höher aus als bei Frauen (+4,4 Prozent auf 102.914). Wesentlich stärker stieg die Arbeitslosigkeit bei Ausländern (+13 Prozent). Jugendliche waren dagegen weniger stark von der Krise betroffen: Die Jugendarbeitslosigkeit stieg im Juni mit 4,4 Prozent unterdurchschnittlich und am Lehrstellenmarkt wuchs die Zahl der offenen Lehrstellen mit 4,0 Prozent noch immer etwas stärker als die der Lehrstellensuchenden mit 2,7 Prozent.
Die schwächere Konjunktur hat am Bau (+7,6 Prozent Arbeitslosigkeit) starke Spuren hinterlassen. Auch im Gesundheits- und Sozialwesen stieg die Arbeitslosigkeit mit 9,0 Prozent stark an, vor allem bei gering qualifiziertem Personal, während diplomierte Kräfte nach wie vor stark gesucht werden. Handel (+3,2 Prozent) und Tourismus (+5,2 Prozent) waren dagegen unterdurchschnittlich vom Anstieg der Arbeitslosigkeit betroffen.
Regional betrachtet verzeichnete die Steiermark mit 11,1 Prozent vor dem Burgenland mit 10,7 Prozent und Niederösterreich mit 8,1 Prozent den stärksten Anstieg der Arbeitslosigkeit. Vorarlberg hingegen profitierte vom starken Schweizer Franken (+2,1 Prozent Arbeitslosigkeit) und lag gemeinsam mit den Tourismusbundesländern Kärnten (+2,1 Prozent), Tirol (+2,7 Prozent) an der Spitze der Bundesländer mit den geringsten Arbeitslosenquoten.