Beim Cruisen gilt: Vier gewinnt
Lancia erweitert seine ohnehin unkonventionelle Modellpalette um ein weitgehend luxuriös ausgestattetes, überaus geräumiges Cabriolet namens Flavia – genau das Richtige für ein Sonnenanbeter-Quartett.
Von Markus Höscheler
Taormina –Wer Ungewöhnliches sucht, wird im nahen Süden fündig. Die Fiat-Tochter Lancia hat im Angebot, was anderswo schwer zu finden ist. Das gilt für den auffälligen Kleinwagen Ypsilon ebenso wie für den kompakten Delta. Eine weitere Spezialität der Italiener ist die Europäisierung amerikanischer Baureihen. Mit dem Minivan Voyager ist ihnen das schon gelungen, mit der Oberklasse-Limousine Thema ebenso. Beide Fahrzeuge haben ihren Ursprung bei Chrysler, dem Fiat-Zukauf jenseits des Atlantiks. Von dort stammt auch das Rohmaterial des Flavia Cabriolets, das ab sofort bei uns im Handel ist und reichlich Gemeinsamkeiten mit dem Chrysler-Sebring-Erben 200 C hat.
Allerdings: Von seinem Genspender Sebring, den Chrysler vor seinem Rückzug aus Europa (von Großbritannien einmal abgesehen) bei uns einst im Angebot hatte, unterscheidet sich der Flavia günstigerweise in einiger Hinsicht. Die Lancia-Front, die Front-Scheinwerfer und die Heckleuchten entsprechen den modernen Sehgewohnheiten, die gerade ausgeführten Sicken an den Seiten verschaffen dem Cabrio ein Plus an Profil. Wobei: Davon hat der offene Flavia von Haus aus genug. Er ist eines der wenigen Cabriolets, die tatsächlich Platz für vier Erwachsene haben. Dafür verantwortlich sind die großzügig ausgefallene Länge von 4,95 Metern und die Breite von 1,78 Metern.
Kopf- und Kniefreiheit dürfen sich also nicht nur die vorderen Insassen, sondern auch die beiden hinteren Fahrgäste erwarten. Nicht nur das serviert ihnen das Flavia Cabriolet, dessen Stoffmütze sich per Knopfdruck innerhalb von einer knappen halben Minute im Kofferraum verstaut und seinen Laderaum von 377 Litern nahezu halbiert. Auch Frischluftvergnügen pur gibt es dann taxfrei, garniert mit bequemem Ledergestühl und ausreichend komfortabel abgestimmtem Fahrwerk. Dieses, so zu unserer Überraschung, verzichtet auf amerikanische Schaukel-Untugenden. Außerdem überzeugen die Lenkqualitäten des offenen Lancia, wie das erste Kennenlernen auf sizilianischen Uferstraßen ergibt. Das präzise ausgeführte Steuer ist Goldes wert, wie wir beim Hindurchschlängeln durch enge italienische Ortschaften feststellten, zumal sich die Übersichtlichkeit aufgrund der ausladenden Karosseriemaße in – wenngleich kalkulierbaren – Grenzen hält.
Durchaus Anerkennung verdient das 2,4-Liter-Triebwerk, das einzig und allein für das Flavia Cabriolet zur Verfügung steht. Kultiviert entfaltet der Vierzylinder-Benziner seine Kraft, verzichtet auf künstliche Beatmung und zeigt sich mit 170 Pferdestärken talentiert genug, um dem 1,8-Tonner die Sporen zu geben. Sein Normverbrauch von 9,4 Litern je 100 Kilometer (CO2-Ausstoß: 224 g/km) wird ihm keine Empfehlung von Greenpeace einbringen, seine zurückhaltend reagierende Sechsstufenautomatik keine von der Tuning-Gemeinde. Auf den Zuspruch beider kann der Cruiser getrost verzichten, gemütliches Gleiten im Quartett ist ohnehin unbezahlbar.
Wobei: nicht ganz. Lancia verlangt für den Genuss laut Liste 39.900 Euro als Gegenleistung, laut zeitlich befristeter Aktion – mindestens bis Ende September – nur 35.900 Euro. Dafür erhält der Lancia-Lover ein üppig ausgestattetes Cabrio, das das Prädikat „luxuriös“ verdient. Schon das angeführte Leder verdient in diesem Fall eine zweite Erwähnung. Und derart bestückt dürfte es ein Leichtes sein, die für heuer geplante Stückzahl von 100 Cabrios in Österreich abzusetzen. Im ersten Volljahr sollen es laut Importeur 150 sein. Das macht ihn zwar nicht zum Volumenträger, aber dafür sind zwei andere Modellreihen zuständig: der große Voyager und der kleine Ypsilon. Insgesamt peilt die Fiat-Tochtermarke in diesem Jahr knapp 1500 Neuzulassungen an. Ungewöhnlich ist dieses Vorhaben nicht.