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Microsoft setzt Milliarden mit Internet-Kauf in Sand

Microsoft schreibt 6,2 Mrd. Dollar auf die Online-Werbe-Tochter aQuantive ab, der Kaufpreis betrug vor fünf Jahren 6,3 Mrd. Dollar.

Seattle - Der einst vielversprechende Kauf des Online-Werbespezialisten aQuantive wird für Microsoft zum Milliarden-Desaster: Der Softwareriese schreibt die vor fünf Jahren übernommene Firma aQuantive nun völlig überraschend ab und verbrennt damit mehr als 6 Mrd. Dollar (4,76 Mrd. Euro).

Ursprünglich wollte der US-Konzern mit seiner bis dahin größten Übernahme im Internetsektor seine Online-Dienste stärken und Googles DoubleClick Konkurrenz machen. Nun räumte der weltweite Branchenprimus mit der Abschreibung ein, dass die Firma aQuantive praktisch völlig wertlos ist. AQuantive habe nicht den erhofften Wachstumsschub gebracht, begründete Microsoft sein Vorgehen knapp.

Die Abschreibung frisst wohl den gesamten Gewinn für das vierte Geschäftsquartal per Ende Juni auf. Die Zahlen sollen am 19. Juli veröffentlicht werden. Analysten rechneten zuletzt mit einem Überschuss von mehr als 5 Mrd. Dollar. Zwar kam die Mitteilung überraschend, doch Investoren nahmen sie vorerst gelassen auf: In Frankfurt gaben Microsoft-Aktien um rund 0,9 Prozent nach. Im außerbörslichen US-Geschäft sanken sie auf 30,28 Dollar von 30,56 Dollar zum New Yorker Handelsschluss. Experten sagten, bei vielen Investoren sei die Übernahme bereits in Vergessenheit geraten.

Eigentlich sollte aQuantive die Online-Werbeinnahmen von Microsoft ankurbeln. Microsoft kaufte das Unternehmen 2007 für 6,3 Mrd. Dollar in bar. Mit Hilfe des Zukaufs wollte der Software-Konzern stärker von den Erlösen aus der Online-Werbung profitieren. Nur der Skype-Kauf im vergangenen Jahr war mit 8,5 Mrd. Dollar noch teurer und verdeutlicht die Entschlossenheit Microsofts, im Internet-Geschäft aufzuholen. Erfolgreich aber war aQuantive unter dem Dach von Microsoft nie. Die aQuantive-Manager hatten dem Weltkonzern schnell den Rücken gekehrt.

Die Abschreibung dürfte nicht nur den erwarteten Quartalsgewinn vollständig zunichte machen. Auch die Aussichten für die Online-Sparte mit der Suchmaschine Bing und dem MSN-Internetportal sind den Angaben nach alles andere als rosig: Microsoft verkündete, die Sparte werde nicht so stark wachsen und weniger Gewinn machen. Die Aussichten seien „geringer als bisher geschätzt“, teilte Microsoft mit, ohne dies genauer auszuführen.

Das Online-Geschäft ist und bleibt das Sorgenkind des Windows-Anbieters. Derzeit fährt Microsoft damit trotz hoher Investitionen pro Quartal Verluste von rund 500 Mio. Dollar ein. Das Unternehmen investiert massiv in den Bereich, hinkt Marktführer Google aber meilenweit hinterher. Auch nach dem Start der eigenen Suchmaschine Bing im Jahr 2009 hat der Bereich in den vergangenen drei Jahren Fehlbeträge in Höhe von mehr als 5 Mrd. Dollar angesammelt. Zwar ist der Marktanteil von Bing gestiegen, die hauseigene Suchmaschine hat aber bis heute keine kritische Masse erreicht, die das Geschäft profitabel machen würde.

Die Windows-Suchmaschine kam zunächst auf 8 Prozent US-Marktanteil bei der Internetsuche, Yahoo hatte damals 20, Google 65 Prozent. Seitdem hat Bing zu Lasten Yahoos zulegen können. Yahoo kommt nun auf 13, Google auf fast 67 und Bing auf 15 Prozent. Die Zahlen basieren auf Angaben der Forschungsfirma Comscore. (APA/Reuters)