„Human Brain Project“

Computer soll Hirn simulieren

13 internationale Forschungseinrichtungen, darunter die Med-Uni Innsbruck, wollen die Arbeitsweise des Gehirns nachbauen.

Von Elke Ruß

Innsbruck – Noch sprengt die Kapazität unserer grauen Zellen die Möglichkeiten modernster Computer: Mit dem bescheidenen Energieverbrauch einer 30-Watt-Glühbirne ist das menschliche Gehirn 300.000-mal leistungsfähiger als heutige Hochleistungscomputer. Milliarden vernetzter Zellen bilden ein komplexes Kommuni­kationssystem, das uns zum Denken, Fühlen und Handeln befähigt. Wie das funktioniert und was im Krankheitsfall schiefläuft, beschäftigt die Forscher weltweit. 60.000 neue neurowissenschaftliche Dokumente pro Jahr bezeugen die Anstrengungen, die Rätsel des Gehirns zu lösen.

Heute wisse man viel über Einzelteile, bisher sei es an der Technischen Hochschule in Lausanne aber erst gelungen, „für eine Region die Funktion nachzubauen“, berichtete gestern Alois Saria, der Chef der Abteilung für Experimentelle Psychiatrie der Medizin-Uni Innsbruck. Dabei sei klar geworden, dass die heutige Computertechnologie nicht reiche, um die ganze Hirnarchitektur zu simulieren.

Genau das aber will das „Human Brain Project“ – als EU-Projekt der Superlative – schaffen: Vor einem Jahr wurde es als Pilotprojekt gestartet, involviert sind 13 Forschungszentren, Saria ist der einzige Österreich-Vertreter. Das Projekt soll neue Erkenntnisse und Methoden für die Medizin bringen – und die IT umkrempeln: Um die nötige Rechenleistung zu schaffen, wolle man „neuromorphe Computer“ entwickeln: Wie das Gehirn sollen diese Daten auch massiv parallel statt nur seriell verarbeiten können.

Sarias Hauptaufgabe ist es, die Ausbildung der beteiligten Wissenschafter – 500 bis 1000 Doktoranden – auf eine neue Basis zu stellen: „Derzeit sind Biomedizin und IT getrennte Gebiete.“ Man müsse die Experten auch in der Ausbildung zusammenführen, damit sie einander verstehen. Vieles soll auch mittels E-Learning vermittelt werden.

Noch ist das aber Zukunftsmusik, denn insgesamt sechs Pilotprojekte rittern im Rahmen der Flagship-Initiative FET (Future and Emerging Technologies) um eine EU-Milliarde für zehn Forschungsjahre. Jetzt ist die Pilotphase abgeschlossen, 2013 werden zwei Projekte ausgewählt. Das „Human Brain Project“ habe hohe Chancen, meint auch Hirnforscher Peter Jonas vom Institute of Sciene an Technology Austria in Klosterneuburg: „Das Verständnis des Gehirns ist eine der zentralen Herausforderungen der Forschung.“

Saria betonte die gesundheitspolitische Bedeutung: Schon jetzt entwickle jeder dritte Europäer eine neurologische Erkrankung, dies koste 800 Mio. Euro im Jahr. „Die altersbedingten Erkrankungen des Gehirns werden zunehmen. Bis 2030 muss eine Behandlung der Alzheimer-Erkrankung gefunden werden oder das Gesundheitssystem wäre nicht mehr finanzierbar.“ Auch ohne den EU-Topf würde das Projekt nicht sterben: Saria ortet u. a. Interesse seitens der Industrie.