Die Welt muss noch gerettet werden
Die Niederösterreicherin Cornelia Travnicek steht vor dem Bachmann-Wettlesen. Unabhängig davon beeindruckt sie mit ihrem Romandebüt.
Von Sabine Strobl
Innsbruck –Wer glaubt, dass sich die Sinologiestudentin Cornelia Travnicek im Kanditatenvideo des Bachmann-Preises mit einem Buch in der Hand vorstellt, der täuscht sich gewaltig. Travnicek trägt nämlich Gummihandschuhe und putzt und lässt sich beim Endspurt vor der Eröffnung ihrer Bubbletea-Boutique in Krems filmen. Was sie auf dem Filmchen sonst noch macht? Sie bestellt Essen beim Chinesen, dekoriert Törtchen und schleppt einen Staubsauger. Zugegeben, sie stellt auch drei Bücher in je ein stylisches Miniregal. Und endlich, darunter ist ihr Romandebüt „Chucks“. Ihre Erzählungen „Fütter mich“ sind bereits 2009 im Tiroler Skarabaeus Verlag erschienen. 2010 trat sie als Herausgeberin der Anthologie „How I fucked Jamal“ (Milena Verlag) auf.
Doch zu „Chucks“. In dem 186 Seiten starken Romanerstling geht es um nichts weniger als um Leben und um Tod. Das ist nicht hochtrabend gemeint. Bei Mae, einem jungen Mädchen in Wien, ist das Leben aus den Fugen geraten. Sie trinkt Dosenbier und sitzt mit ihrer Punk-Freundin Tamara auf der Straße. Von ihrem an Krebs verstorbenen Bruder ist ihr ein Paar Chucks geblieben, deren Sohlen irgendwann abgelaufen sein werden. Abends kehrt sie zu dem Architekten Jakob heim, der vielleicht einmal wirklich Luftschlösser plant, wenn er nicht gerade zufrieden mit sich und der Welt ist. Deshalb lernt Mae mit den wilden Locken und dem sturen Kopf Paul kennen. Sie trifft ihn im Aids-Hilfe-Haus, wo sie ihr Bewährungshelfer zum Sozialdienst eingeteilt hat. Eine bittersüße Liebesgeschichte ist den beiden vergönnt. Auf „Tiefgreifendes über den Sinn des Lebens“ wartet Mae vergeblich. Dafür erfährt sie vom aidskranken Paul einiges über Lebensfreude. Auch Tamara versucht nach einem Drogenexzess ihrem Leben eine andere Richtung zu geben und beschließt, die Welt zu retten. Natürlich anders als der Schnösel in Tim Bendzkos Hit, der vor der Abendeinladung „noch schnell die Welt retten“ muss. Tamara wird zur Hausbesetzerin.
Man merkt bald, Travniceks Figuren haben Fleisch und Blut. Außerdem zeigt die junge Autorin ein Gespür für komische Situationen und Dialoge. Rebellisch und zart ist dieses Buch geschrieben und vor allem unbeeindruckt von literarischen Konventionen. Es ist ein Crossover-Buch, an dem Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen Freude haben können. Die 1987 in St. Pölten geborene Autorin ist ein Tausendsassa, der sich nicht nur als Unternehmerin versucht, sondern etwa auch als „Researcher in einem Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung“ arbeitet. Noch ist Travnicek sich nicht sicher, welchen Platz sie der Literatur einräumen wird. Das Zeug zur Schriftstellerin hat sie auf alle Fälle.
Heute um 10.15 Uhr geht das große Wettlesen in Klagenfurt los. Travnicek verfolgt die Devise: möglichst gut vorlesen und sonst eine entspannte Zeit verbringen.