Skål – mit Champagner der historischen Art
Champagner lockt nach Åland, ein autonomer Archipel mit mehr als 6500 Inseln. Politisch gehören sie zu Finnland, die Landessprache ist Schwedisch. Und Besonderheiten gibt es auf Åland zur Genüge.
Von Stefanie Kammerlander
Mariehamn –Ja ja, Holland ist schön um diese Zeit! – Hallo – das ist ein Hörfehler. Es geht nämlich nicht nach Holland, wie fast alle Gesprächspartner meinen, die von der Reise nach Åland (mit offenem O und exakt heißen sie Åland-Inseln), erfahren. Und auch der Grund dafür – nämlich Champagner – löst bei den Zuhörern erst einmal Stirnrunzeln aus. Der hohe Norden und Champagner?
Eine Auktion der höchst exquisiten Art lockt in den Norden, nach Mariehamn, Hauptstadt der Åland-Inseln. Champagner, der bis zum Sommer 2010 in einem Schiffswrack bei den Åland-Inseln in 50 Metern Tiefe geschlummert hatte. Bis zu dem Zeitpunkt, als Anders Nasman mit seinem Taucherteam auf das Wrack gestoßen war.
Als Einstimmung auf die bevorstehende Versteigerung von elf historischen Champagner-Flaschen schildert der Tiefseeexperte den spannendsten Moment seines Lebens. Gemeinsam mit Nasman tauchen wir nun in die Multi-Visions-Show ab, auf rund 57 Meter Tiefe. Rundum ist tiefe, schwarze Nacht. Die Lampe des Tauchers leuchtet einen Kreis von maximal zwei Metern aus. Eine Szenerie, die sich völlig anders darstellt, als uns Hollywood-Filme solche Expeditionen verklickern. In Wirklichkeit zeichnet sich im Lichtschein nur schwach ein Umriss ab – eine Holzkiste. Zwei Minuten darf Nasman noch in dieser Tiefe bleiben, die Taucheruhr ist unbarmherzig. „Wir dachten, wir finden Gold oder Diamanten“, erzählt der Tiefseeexperte. Der Fund sollte sich noch als goldig erweisen. Die Zeit reichte damals gerade noch aus, die Kiste zu öffnen und mit einer Flasche an Bord zu gehen. „Plopp“ – die Flasche hatte den Druck nicht ausgehalten und sich entkorkt. Ein Plastikbecher musste für die Erstverkostung herhalten – die Crew dachte ohnehin, dass sie jetzt Salzwasser zu trinken bekäme. „Wir waren echt überrascht über diesen Geschmack“, erzählt Nasman. „Süß wie Likör“, lautete das erste Urteil. Vier Tage dauerte die Bergung der insgesamt 145 Flaschen Champagner. Es war Schwerstarbeit: Mit rund 70 Kilogramm Spezialausrüstung auf dem Rücken musste Präzisionsarbeit geleistet werden, etwa das Verkleben der Korken. Die Bilder der komplizierten Bergung gingen damals um die Welt, das kaum bekannte Åland wurde über Nacht zum Nabel der Champagner-Welt. Experten und Sommeliers konnten ihr Glück kaum fassen, dass der rund 160 Jahre alte Fund von erstklassiger Güte und Qualität ist.
Wir tauchen mit Nasman wieder auf, in das Foyer des Auktionshauses in Mariehamn. Der große Tag soll schließlich zelebriert werden. „Smörg˚arsbord“, die skandinavische Art des Buffets, wartet auf potenzielle Mitbieter. Stilvoll, mit Jazz-Formation und (neuem) Champagner wird Nervosität bekämpft, lässt doch das Ergebnis des Vorjahres Gutes erahnen: Da hatte eine der zwei versteigerten Flaschen die Rekordhöhe von 30.000 Euro erzielt. Und so ganz insgeheim darf man doch auf ein ähnliches Ergebnis hoffen.
Der eigentliche Höhepunkt, die Auktion, ist längst nicht so prickelnd wie der Schampus im Foyer – in telefonischen Abwicklungen bleiben so manche Emotionen im Kabel stecken. Arnaud Oliveux, der „Fuchs“ unter den Auktionatoren, packt sein ganzes Repertoire aus, um den Preis in die Höhe zu kurbeln. Und bei „Champagne Veuve Clicquot Ponsardin“ gelingt das auch. 15.000 Euro – und die Flasche geht an einen der Taucher, der sie vor zwei Jahren selbst geborgen hat, an Christian Ekström. Da staunt die Welt. Die wertvolle Fracht ist im Eigentum des Landes – so wie alles, das aus den Tiefen des Meeres geborgen wird und über 100 Jahre alt ist.
Zurück vom feudalen Abenteuer in die Einsamkeit. 25 Kilometer von der kleinsten Hauptstadt Europas, Mariehamn, entfernt liegt das Feriendorf Söderö, einstmals königliches Jagdrevier. Wie zur Bestätigung kreuzt auch täglich Wild unseren Weg, einmal hoppelt ein Hase vor unserem Bus, einmal äst ein kapitaler Rehbock 100 Meter von uns entfernt. Kollegen schwören, dass während ihres Saunaganges mindestens ein Elch vor ihrer Türe gescharrt habe.
Feriendorf ist vielleicht etwas hoch gegriffen. Das Dorf besteht aus 15 einfachen Häusern und sonst nichts. Kein Shop, nur Natur pur. Malerisch machen sich die roten, typischen Holzhäuser und die kleinen Saunahütten in der grünen Kulisse aus. Schweden, Finnen und Russen lieben diese Form des Urlaubens, mit Ruderbooten zum Fischen zu fahren, zu grillen und zu saunieren. Die Sauna wird im hohen Norden zur Kommunikation genutzt, hier wird gelacht und getrunken, wie in einem Gasthaus.
Der hochsommerliche traumhafte Tag neigt sich dem Ende zu, doch das Ende kommt einfach nicht. Noch um Mitternacht lässt sich das Gefühl nicht abschütteln, dass es viel zu früh zum Schlafen ist. Die hellen Nächte sind wirklich gewöhnungsbedürftig – ebenso wie der blitzartige Wetterumschwung.
Heftige Regenfälle am nächsten Tag lassen schon das Schlimmste für den geplanten Programmpunkt befürchten. Paddeln im Kajak ist angesagt. Und schnell stellt sich heraus, dass Wind und Wetter keine ernst zu nehmenden Gegner sind. Die Lust am Abenteuer überwiegt bei Weitem.
Wie die Pioniere klettern wir in Kobba Klintar aus den Booten, es ist eisig kalt, nass – und großartig. Die Felseninsel besteht nur aus Lotsenhaus (jetzt Museum), Plumpsklo und einer urigen Hütte ohne Strom und mit Holzofen. Dennoch ist Kobba Klintar ein beliebtes Ausflugsziel – die Aussicht soll bei schönem Wetter grandios sein. Und das Museum mit dem historischen Nebelhorn und dem hölzernen Lotsen ist jeden Umweg wert.
Åland-Inseln und Schifffahrt sind naturgemäß eine Einheit. Im Åland Maritime Museum lassen sich die Segelspuren von der ersten Seefahrt bis in die heutige Zeit verfolgen. Geschichte, Tradition und interaktive Stationen sind das Geheimnis des Museums, das auf Familienbedürfnisse adaptiert ist. Und gleich gegenüber glänzt die einzige, im Originalzustand erhaltene Viermastbark der Welt – die Pommern. Da lässt sich erahnen, wie rau die Seefahrt seinerzeit gewesen ist, wie der Kapitän so lebte und wie gekocht wurde.
Schön, dass wir heute und jetzt leben. Darauf könnten wir mit Champagner anstoßen. Prost, skål!