Zwei EU-Milliarden für Tunnel möglich

EU-Tunnelkoordinator Pat Cox glaubt, dass die EU künftig nicht nur mit 40, sondern mit bis zu 50 Prozent den Bau des Brennertunnels mitfinanziert. Gestern tagte die Brenner Korridor Plattform in Innsbruck.

Von Peter Nindler

Innsbruck –Die Debatte über den 55 Kilometer langen Brennerbasistunnel wird von vielen Fragen beherrscht: Gelingt die Verlagerung? Sind die reinen Baukosten von 9,7 Milliarden Euro realistisch? Wie viel steuert die EU bei? Werden die Zulaufstrecken in Bayern und in Südtirol, Trient und Verona rechtzeitig fertig? Gestern wurde bei der Tagung der Brenner Korridor Plattform versucht, die Positionen abzustimmen. Vor allem, was die begleitenden Maßnahmen zur Verlagerung betrifft.

2026 soll der Tunnel fertig gestellt werden. Mit 786 Millionen Euro fördert die EU derzeit das Vorhaben, in der kommenden EU-Finanzierungsperiode von 2014 bis 2020 könnten noch einmal zwei Milliarden Euro hinzukommen. Das erklärte EU-Tunnelkoordinator Pat Cox am Rande der Tagung. Er spricht von einer realistischen Möglichkeit, die EU-Förderung auf 50 Prozent anzuheben. Denn erfüllen die Infrastrukturvorhaben im Rahmen der Transeuropäischen Netze (TEN) noch einen EU-Mehrwert im Bereich Energie oder Umwelt, so kann der maximale Fördersatz von 40 auf 50 Prozent bzw. von 1,6 Milliarden auf zwei Mrd. Euro erhöht werden. 4,2 Mrd. Euro werden in dieser Zeitspanne verbaut. Basistunnelchef Konrad Bergmeister weist darauf hin, dass die BBT SE die Errichtung einer Stromleitung im Probestollen untersucht wie auch die Nutzung der Abwärme oder die Wiederverwertung des Aushubmaterials.

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Herr Cox, bis vor wenigen Wochen stand der Tunnel wegen der Sparmaßnahmen an der Kippe. Sind Sie zuversichtlich, dass er jetzt realisiert wird?

Cox: In den vergangenen Monaten gab es große Herausforderungen in Wien und in Rom. Doch die investierte Energie hat sich ausgezahlt. Ich habe zwar schon im Vorjahr erklärt, dass der Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt, erreicht ist, aber die Nagelprobe war heuer. Es hat eine lange Zeit benötigt, um so weit zu kommen, aber jetzt machen wir große Fortschritte.

Die Finanzierung ist immer wieder ein Thema. Ist eine künftige EU-Förderung von 40 Prozent, wie sie Verkehrsministerin Doris Bures verspricht, realistisch?

Cox: Ja. In der jetzigen EU-Finanzierungsperiode fließen 27 Prozent oder 786 Millionen Euro, 40 Prozent sind künftig absolut möglich. Darauf hat man sich schon verständigt, aber letztlich muss der Europäische Rat zustimmen.

Warum sind Sie so optimistisch?

Cox: Weil das Budget für In- frastruktur und Verkehr in der EU von acht Milliarden Euro auf 31,7 Milliarden Euro aufgestockt werden soll. Aber die Förderung fürd en basistunnel könnte noch höher ausfallen, wenn das Projekt noch einen so genannten EU-Mehrwert erfüllt.

Was heißt das konkret?

Cox: In der neuen EU-Verordnung sind zehn Zusatzpunkte vorgesehen, wenn Infrastrukturvorhaben einen zusätzlichen Nutzen im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Energie- oder Umweltprojekten aufweisen. Diese Möglichkeit sollte genutzt werden.

Verkehrsexperten, Umwelt­initiativen und vor allem Oppositionspolitiker stellen jedoch insgesamt den Nutzen des Brennertunnels infrage, weil sie nicht an eine ernsthafte Verlagerungspolitik der EU glauben.

Cox: Die begleitenden Maßnahmen sind ein entscheidender Punkt, die Alpenkonvention könnte jedoch ein wichtiger Wegweiser sein. Leider hat Italien das Verkehrsprotokoll noch nicht unterschrieben. Natürlich zählen zu den Rahmenbedingungen auch Mautfragen, aber es gibt nach wie vor unterschiedliche Standpunkte. Was in Tirol akzeptiert wird, lehnt Italien ab. Die politischen Positionen gehen auseinander. Um eine funktionierende Software bis zur Fertigstellung der Infrastruktur-Hardware zu bekommen, müssen wir noch große Anstrengungen unternehmen. Ein politischer Konsens in fünf Regionen ist nicht einfach.

Wie soll er gelingen?

Cox: Wir werden mit Nachdruck Gespräche führen, die Fortschritte erfolgen nicht über Nacht. Wichtig ist, dass es vorerst Konsens über die zentralen Fragen gibt.

Die Aufhebung des sektoralen Fahrverbots für Lkw in Tirol durch die EU war nicht gerade ermutigend.

Cox: Die Europäische Union hat nicht gesagt, dass das Fahrverbot nicht möglich ist, sondern dass es gerecht und verhältnismäßig sein muss. Es geht jetzt darum, das richtige Maß zu finden. Deshalb führen wir in der Brenner Korridor Plattform intensive Gespräche.