Prestige-Verlust für Diktator

Enger Freund von Bashar al-Assad desertiert

Der Rückhalt für das Assad-Regime bröckelt: Ein Mitglied des innersten Führungszirkels – einst enger Vertrauter des syrischen Diktators – ist desertiert.

Damaskus – Prestige-Verlust für Bashar al-Assad: Ein Jugendfreund und langjähriger Vertrauter des syrischen Präsidenten, General Munaf Tlas (Tlass), ist offenbar desertiert und sucht Zuflucht in Frankreich. Ein Sprecher des französischen Außenministeriums bestätigte am Freitag, dass der zunächst in die Türkei geflohene Tlas auf dem Weg nach Paris sei.

Tlas soll Familie in Frankreich haben, er war früher ein enger Freund der Familie des syrischen Präsidenten. Er gehörte zu den wenigen Sunniten in der von Alawiten dominierten Militärführung und ist der Sohn des früheren Verteidigungsministers (1972-2004) Mustafa Tlas. In Paris fand am Freitag auch ein Treffen der internationale Syrien-“Freundesgruppe“ statt, bei dem die verschiedenen Kräfte der Opposition gegen Machthaber Assad zum Zusammenhalt aufgefordert wurden. Die syrische Opposition bietet seit Monaten ein Bild der Zerstrittenheit.

Wie ein Kenner der Führung in Damaskus am Freitag sagte, tauchte Tlas vor drei Tagen unter. Der Sunnit Munaf Tlas stammt aus Rastan in der Provinz Homs, die sich derzeit unter der Kontrolle der syrischen Aufständischen befindet. General Munaf Tlas gehörte lange Jahre zur Republikanischen Garde, einer Elite-Einheit innerhalb der syrischen Armee, die für die Sicherheit der Staatsführung unmittelbar verantwortlich ist, und als Stütze des Assad-Regimes gilt.

Republikanische Garde von „eiserner Faust“ geführt

Die Republikanische Garde ist eine Eliteeinheit, sie wird von Bashars Bruder Maher al-Assad befehligt. Dieser ist auch Befehlshaber der vierten Panzerdivision des Heeres. Der 45-Jährige gilt als gewalttätig, aufbrausend und skrupellos. Nach Bashar al-Assad ist er der zweitmächtigste Mann in Syrien, manche bezeichnen ihn als die „eiserne Faust“ des Regimes, da die vierte Panzerdivision ganz besonders für das blutige Vorgehen gegen Regimegegner verantwortlich gemacht wird.

Aber auch die republikanische Garde soll nach Angaben von Oppositionellen und Menschenrechtskreisen mit Helikoptern, Panzern und Artillerie gegen Aufständische vorgehen. Es wird ihnen auch vorgeworfen, mit Messern auf die Bevölkerung loszugehen und etwa Kindern die Kehlen durchzuschneiden. Maher al-Assad ist zudem Mitglied des Zentralkomitees der herrschenden Baath-Partei.

Die Republikanische Garde, mitunter auch als Präsidenten-Garde bezeichnet, soll rund 10.000 Mann umfassen. Sie gilt als wichtigste Kraft zum Schutz des Regimes, auch vor inländischen Bedrohungen. Sie ist für die Aufrechterhaltung der Sicherheit in der Hauptstadt Damaskus zuständig. Sie kontrolliert die Region rund um den Präsidentenpalast und das Nobel-Viertel rund um die Malki-Straße, wo Mitglieder der syrischen Führungsschicht aber auch ausländische Botschaften zu Hause sind.

Von Assads Vater gegründet

Der im Juni 2000 verstorbene frühere syrische Präsident Hafez al-Assad - Vater von Bashar und Maher - gründete die Wache im Jahr 1976 nach einer Serie von gewalttätigen Übergriffen in Damaskus durch palästinensische Gruppen. Diese hatten gegen den syrischen Einfluss im Libanon protestiert.

Chancen auf einen Posten im Offizierskorps der Republikanischen Garde hatten bisher nur Männer von unzweifelhafter Loyalität gegenüber dem Regime und der Präsidentenfamilie Assad. Um ihre Treue zu gewährleisten, erhält die die Republikanische Garde angeblich einen bedeutenden Anteil der Einnahmen aus den Öl-Feldern in der Dair al-Zur Region.

Auch Bashar al-Assad diente als Offizier in der Republikanischen Garde, während er nach dem Tod seines Bruders Basil - der eigentlich als Nachfolger seines Vaters Hafez vorgesehen war - auf das Präsidentenamt vorbereitet wurde. Seither pflegte der Präsident enge Kontakte zu vielen Garde-Offizieren. General Tlas galt ebenfalls als Freund von Assad.

Vor etwa einem Jahr soll Munaf Tlas aber das Vertrauen der Staatsführung verloren haben. Er hatte sich um einen Ausgleich zwischen der Führung in Damaskus und den Rebellen bemüht. In den vergangenen Monaten hatte er den Angaben des Insiders zufolge die Uniform gegen zivile Kleidung getauscht. Außerdem habe er sich lange Haare und einen Bart wachsen lassen.

„Was ist eine Fahnenflucht noch wert, wenn das Regime schon dabei ist, sich aufzulösen?“

Ein Hauptmann der von Deserteuren gegründeten Freien Syrischen Armee in der türkischen Grenzprovinz Hatay sagte: „Für den Sturz des Regimes ist die Fahnenflucht dieses Mannes zwar ein wichtiger Faktor.“ Jedoch habe sich der General, der die 105. Brigade der Republikanischen Garden befehligt hatte, so spät abgesetzt, dass Zweifel an seinen Motiven angebracht seien. „Was ist eine Fahnenflucht noch wert, wenn das Regime schon dabei ist, sich aufzulösen?“, fragte Amar al-Wawi.

Tlas war vor seiner Flucht in seinem Haus im Damaszener Stadtteil Messe angeblich unter Hausarrest gestellt worden. Unter Experten gilt der Kommandeur als möglicher Kandidat für eine Führungsrolle im Sicherheitsapparat nach einem Zusammenbruch des Assad-Regimes.

Vom türkischen Außenministerium gab es am Freitag keine Bestätigung für eine Ein- oder Durchreise von Tlas. „Zumindest bis zur vergangenen Nacht ist kein Mann mit diesem Namen in die Türkei eingereist“, sagte ein Sprecher des Ministeriums der Nachrichtenagentur dpa. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass Tlas unter anderem Namen über die Grenze gekommen sei. (APA/dpa/Reuters/AFP)