Syrien droht bei „ausländischer Aggression“ mit Chemiewaffen
Während in Syrien weiter erbittert gekämpft wird, gibt es auf diplomatischer Ebene mehrere Versuche, den Druck auf das Assad-Regime zu erhöhen. Das syrische Regime schloss indes den Einsatz chemischer Waffen nicht mehr aus.
Damaskus, Doha - Die syrische Regierung verschärft den Ton gegenüber dem Ausland. Das bedrängte Assad-Regime droht mit dem Einsatz von chemischen Waffen. Sollte es zu „Aggressionen von außen“ kommen, sei man bereit, so ein Sprecher des syrischen Außenministeriums. Zugleich betonte er, dass die international geächteten Waffen nicht gegen Zivilisten eingesetzt werden. Die Chemiewaffen des Landes stünden unter der Kontrolle der Armee und würden von ihr bewacht, sagte der Außenamtssprecher weiter.
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Der Sprecher wies zugleich die Forderungen nach einem Rücktritt von Präsident Bashar al-Assad als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Syriens zurück. Die Lage in der Hauptstadt, wo Aufständische ganze Stadtviertel unter ihre Kontrolle gebracht hatten, verbessere sich, sagte der Außenamtssprecher in einer vom Fernsehen übertragenen Pressekonferenz.
EU verschärft Sanktionen gegen Syrien
Die Europäische Union hat angesichts der anhaltenden Gewalt in Syrien ihre Sanktionen gegen das Land erneut verschärft. Die EU-Außenminister beschlossen am Montag in Brüssel, 26 weitere Vertreter oder Unterstützer der Regierung in Damaskus sowie drei weitere Unternehmen oder Behörden auf die Sanktionsliste zu setzen, wie EU-Diplomaten mitteilten. Ein bereits beschlossenes Waffenembargo soll zudem durch strengere Kontrollen von Flugzeugen und Schiffen besser durchgesetzt werden. Insgesamt stehen 155 Personen auf der EU-Sanktionsliste gegen Syrien.
Die Hohe EU-Beauftragte Catherine Ashton hat vor Beginn des Außenministerrats den Rücktritt von Assad gefordert. „Ich glaube, die Lage ist klar. Wir müssen den Druck auf Syrien erhöhen. Assad muss zurücktreten“. Es gehe um die Zukunft des syrischen Volkes.
Die Menschen in Syrien hätten ein Anrecht auf Demokratie und Freiheit. Die oppositionellen Gruppen in Syrien sollten enger zusammenarbeiten und eine Plattform für einen Übergang bilden. Wesentlich sei nun das Ende der Gewalt. Dazu bedürfe es konzertierter Anstrengungen. „Wir müssen eng zusammenarbeiten, die Situation in Syrien ist schrecklich“.
Spindelegger sieht „Assad mit Rücken zur Wand“
Vizekanzler Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) sieht Assad „mit dem Rücken zur Wand“ stehen. Nach dem EU-Außenministerrat am Montag in Brüssel warnte Spindelegger vor einer weiteren Eskalation der Lage. „Wir müssen uns auf das Schlimmste vorbereiten, auf Kampfhandlungen innerhalb Syriens mit äußerster Gewalt und vielleicht auch unter Einsatz chemischer Waffen“. Dies gelte es „unter allen Umständen zu verhindern“.
Er habe deshalb vorgeschlagen, sagte Spindelegger, in die Sanktionen gegen Syrien auch eine stärkere Verantwortung jener Soldaten aufzunehmen, die später zur Rechenschaft gezogen werden, für das was sie tun. Der Bezug auf den Internationalen Strafgerichtshof sei zwar nicht in dem Text enthalten, dennoch sollte sich ‚“jeder drei Mal überlegen, ob er das tut oder nicht“. Mit den nun verschärften Sanktionen habe man die „Daumenschrauben“ für das syrische Regime weiter angezogen.
Arabische Liga bietet Assad bei Rücktritt „sicheren Hafen“ an
Zuvor hatte bereits die Arabische Liga Syriens Präsident aufgefordert, sich „schnell“ von der Macht zurückzuziehen. Assad müsse die „Zerstörung und das Töten“ durch eine „mutige“ Entscheidung beenden. Zugleich biete man ihm „freies Geleit“ an, wenn er sich von der Macht trenne, sagte Katars Regierungschef Scheich Al-Thani in der Nacht zum Montag nach einem Außenministertreffen in Doha. Syrische Regierungstruppen eroberten indes Stadtteile von Damaskus zurück.
Die Opposition und die Freie Syrische Armee (FSA) müssten eine Übergangsregierung der nationalen Einheit bilden, forderte die Arabische Liga, die 100 Millionen US-Dollar (82,0 Mio. Euro) als Hilfen für syrische Flüchtlinge bereitstellte. Ihre Beschlüsse will die Arabische Liga in Moskau und Peking erläutern.
Die Veto-Mächte Russland und China blockieren im UNO-Sicherheitsrat eine schlagkräftige UNO-Resolution. Die Arabische Liga will eine Sondersitzung der UNO-Generalversammlung fordern, um in Syrien „Sicherheitszonen“ und „humanitäre Korridore“ einzurichten.
„Schlimmste Kämpfe“ Aleppo
Auch am Montag gingen die Gefechte in Syrien weiter. Aus der nordsyrischen Handelsmetropole Aleppo berichtete ein Augenzeuge dem arabischen Nachrichtensender Al-Jazeera von „schlimmsten Kämpfen“. Die bewaffnete Opposition hatte am Sonntag den Sturm auf die zweitgrößte Stadt des Landes ausgerufen. Aleppo sei voller Flüchtlinge aus den Städten Homs und Hama, berichtete der Mann. Die Versorgungslage werde immer schwieriger, die Preise seien in den Himmel geschossen. Wie für alle Informationen gab es auch hierfür von unabhängiger Seite keine Bestätigung.
In Damaskus soll das Militär nach Angaben von Aktivisten mit massivem Einsatz von Soldaten und Panzern die Kontrolle über die beiden Viertel Al-Messe und Barse zurückerobert haben. Die Aufständischen hätten den „taktischen Rückzug“ angetreten, hieß es. Rund 30 Menschen sollen bei den Gefechten in den Morgenstunden getötet worden sein, unter ihnen auch Zivilisten.
Die Rebellen hatten vor gut einer Woche mit einer Offensive Assad erstmals in seiner Hauptstadt angegriffen. Am Wochenende gelang es ihnen, mehrere wichtige Grenzübergänge zur Türkei und zum Irak unter ihre Kontrolle zu bringen (APA/AFP/Reuters)