„Würdest du bitte Sitz machen?“

Die mobile Hundetrainerin Jessica Herrmann reist zu ihren Klienten, um mit Hund und Herrchen zuhause zu üben. Helfen ihre Tricks auch, um Terrier Finn Manieren beizubringen?

Von Judith Sam

Lermoos –Trotz meiner Waldorferziehungsmethoden kann mein Hund weder seinen Namen tanzen noch in den Schnee morsen, er ist aber recht kommandoresistent. Es würde mich nicht wundern, wenn er „Hör jetzt auf!“ für seinen Namen hält, denn das hört er am öftesten.

Obwohl Manchester Terrier Finn nur die Größe einer stämmigen Katze hat, verfügt er über das Ego eines Alphawolfs. Das stellt er in einer audiovisuellen Show unter Beweis, als er bellend und an der Leine zerrend die Hundetrainerin Jessica Herrmann von der Mobilen Hundeschule empfängt. „Diese Begrüßung sagt viel aus“, kichert sie vielsagend und prompt nagt mein schlechtes Gewissen an mir.

Das Hundetrainerteam aus Tumpen verfolgt eine eigene Erziehungstheorie: „Meine Kollegin und ich besuchen unsere Klienten zuhause. Wir finden, dass Training am Hundeplatz einmal die Woche nicht sonderlich effektiv ist. Hund und Herrchen sind dort für 90 Minuten konsequent­ und folgsam, kaum haben­ sie den Platz verlassen, hält der Alltag­ und damit der Schlendrian Einzug.“ Beim Heimtraining könne man im gewohnten Umfeld anhand individuell abgestimmter Übungen am Verhalten des Tieres arbeiten.

„Was stört dich an Finns Gewohnheiten?“, fragt die Deutsche. Ich hole tief Luft: „Er mobbt Passanten, jagt alles, von der Grille bis zum Grizzly – darum darf er beim Spazieren so gut wie nie von der Leine – und nimmt sich viel Mitspracherecht bei meinen Befehlen heraus.“ „All diese Gewohnheiten haben nur eine Ursache“, erklärt Herrmann. Finn hält sich nämlich für den Chef. „Das Acht-Kilo-Zwerglein ist überzeugt, dass ihr seine Welpen seid. Er denkt, er trägt die Verantwortung und muss euch beschützen“, schildert die Trainerin.

Das alles sei für den Hund großer Stress. Er würde Passanten präventiv anpöbeln, um klarzumachen, dass sie seinem Rudel gar nicht erst zu nahe kommen dürfen. Er trippelt den ganzen Tag in der Wohnung hinter mir und meiner Familie her, um uns im Auge zu behalten und kontrollieren zu können. Außerdem würde Finn die Jagdsaison eröffnen, wann immer ihm danach zumute ist, denn der nörgelnde Statist am anderen Ende der Leine hätte ohnehin nichts zu melden.

Zum Glück hat die ausgebildete Hundetrainerin eine Lösung parat: „Finn muss lernen, dass er nicht an der Spitze der Familienhierarchie steht.“ Für die erste Übung leine ich Finn an, lege ein Kissen auf den Boden, auf dem er Platz nehmen muss, und setze mich einige Meter davon entfernt hin. Die Leine liegt lose am Boden. Mein kleiner Zeckensammler sollte nun auf dem Polster sitzen bleiben.

Man ahnt es schon: Er setzt sich über meinen Wunsch hinweg und stolziert über die Terrasse. „Zupf ihn an der Leine zurück auf seinen Platz. Sag dabei am besten gar nichts“, rät Herrmann. Das tue ich. Aber immer wieder steht „der Chef“ auf und versucht davonzutrippeln. Nach dem 41. Zurückzupfen scheint der Wille des Hundes endlich gebrochen. Resigniert legt er sich neben das Kissen. Immerhin.

Für die zweite Trainingsrunde bilden der Hund und ich eine Seilschaft. „Jetzt warte darauf, bis er dich nicht anschaut. Dann zupfe gleichzeitig an der Leine und ruf seinen Namen“, sagt Herrmann. So würde der Hund lernen, seine Aufmerksamkeit auf mich zu fokussieren. Belohnt wird nicht mit Leckereien, sondern nur mit Streicheleinheiten.

Schon nach überraschend wenig Versuchen scheint Finn verstanden zu haben, was ich will. Das ungewohnte Gefühl erfolgreicher Hundeerziehung macht sich in mir breit. Trotzdem fällt es mir nicht leicht, meinen kleinen Helden in die Schranken zu weisen. Aber wenn er Manieren lernt, so öfter off-Leine mit mir spazieren gehen darf und vor allem weniger Stress hat, werde ich versuchen, eine tägliche Trainingseinheit zu absolvieren. In mancher Hinsicht darf ich laut Herrmann allerdings bekennender Erziehungs­softie bleiben: Finn schläft weiterhin bei mir im Bett und bekommt täglich frisch gekochtes Faschiertes zum Dinner. Aber so sehr mich der kleine Terrier auch um den Finger wickelt – Taschengeld bekommt er nicht.