Die fliegenden Glücksbringer
Sie nisten unter viel befahrenen Autobahnbrücken, in Stiegenhäusern und sogar in Wohnzimmern: Die Schwalben nutzen den Menschen als Nahrungs- und Nistplatz-Lieferanten. Uns gelten diese Vögel als Glückssymbol.
Von Helmut Pechlaner
Selten lässt sich das Treiben der Schwalben so gut beobachten wie jetzt, wo die Familien geschlossen unterwegs sind, um Fluginsekten zu erhaschen. Es finden sich aber auch bereits größere Trupps zusammen, die dann vor Herbstbeginn gemeinsam nach Süden ziehen.
Mit etwas Glück können wir aus der Nähe beobachten, wenn Schwalben ganz gezielt in der Luft einen Haken schlagen, um ein großes Fluginsekt zu erbeuten. In der Regel allerdings filtrieren sie die Luft fast so planlos wie die Windschutzscheiben auf der Autobahn. Mit offenem Schnabel fliegen die Schwalben darauf los und es sind nicht nur die für uns lästigen Fliegen und Mücken, die zufällig im Rachen landen.
Bei schönem Wetter sausen die Schwalben wie kleine Punkte hoch oben durch die Lüfte, bei einem drohenden Gewitter jagen sie jedoch in Bodennähe. Die Erklärung ist ganz einfach, die Schwalben folgen ihren Beutetieren. Herannahende Gewitter kündigen sich durch Luftdruckänderungen und andere meteorologische Erscheinungen an und bringen so die Fluginsekten dazu, die Nähe der schützenden Vegetation aufzusuchen. Auch Fische jagen nach den tief fliegenden Insekten und springen vor Gewittern besonders häufig über das Wasser.
Unsere europäischen Schwalben sind Kulturfolger, schließlich liefert ihnen der Mensch mit seinen Bauwerken einen Ersatz für Brutfelsen, um dort ein Nest festzukleben. Aber er liefert indirekt auch eine Unmenge an Nahrung, weil die Haltung von Rindern, Schweinen, Pferden und Hühnern samt den dazugehörenden Misthäufen einer überschießenden Fliegenpopulation beste Lebensgrundlage bietet.
Mehl- und Rauchschwalbe bauen ihre Nester jedoch nicht nur in Ställen oder unter Dachvorsprüngen, sie riskieren auch den regelmäßigen Einflug in Stiegenhäuser, ja sogar in Wohnzimmer. Schwalben werden von uns als Glückssymbol betrachtet, daher wird kaum jemand ein Schwalbennest zerstören. Mehlschwalben bauen ihr Nest als Viertelkugel so unter entsprechende Decken und Vorsprünge, dass nur das Einschlupfloch offen bleibt, das Nest also gedeckelt ist.
Die Rauchschwalbe, sie ist durch ihre rotbraune Stirn und Kehle mit dem blauschwarzen Kehlband sehr gut zu erkennen, baut ihr Nest ein bisschen „schlampiger“, sie lässt es nach oben hin offen.
Für uns schauen alle Schwalben-Männchen und -Weibchen gleich aus, die Schwalben selber aber beurteilen einander nicht nur nach dem Geschlecht, sondern auch nach besonderen Qualitäten. So wie Hirschkühe offensichtlich den Hirschen mit dem imposantesten Geweih den Vorzug geben, sind auch die weiblichen Rauchschwalben beim Auswählen ihres Partners recht kritisch.
Der dänische Wissenschafter Pape Moeller hat nachgewiesen, dass Rauchschwalben-Männchen mit besonders langen Federn am Gabelschwanz bevorzugt werden, vermutlich wird dadurch besondere Lebenskraft demonstriert.
Im Experiment hat er bei männlichen Rauchschwalben die Schwanzfedern gekürzt und schwachen Männchen verlängerte Spitzen angeklebt und damit einen dramatischen Gesinnungswandel bei den Rauchschwalben-Weibchen bewirkt.
Die Felsenschwalbe hat am längsten gebraucht, um sich dem Menschen und seinen Bauten anzuschließen. Bis vor wenigen Jahrzehnten galt sie bei uns als seltener Vogel, heute nimmt sie stark im Bestand zu. Kein Wunder, denn sie besiedelt nun plötzlich die Unterseite der Autobahnen bei Hangbrücken und hohen Talüberquerungen. Die Europabrücke der Brennerautobahn beispielsweise gilt schon seit Jahren als ein Geheimtipp für Ornithologen, um die Felsenschwalbe aus nächster Nähe zu beobachten.
Schwalben ziehen in der Regel zwei Bruten bei uns hier auf, jetzt sind auch bald schon die kleinsten Schwalbenkinder flügge.