„Am Gehalt kann es nicht liegen“
Das Land erhöht die Zahl der Ausbildungsplätze und rührt die Werbetrommel für den Pflegeberuf. Dennoch klafft laut Studie eine Lücke zwischen Bedarf und Absolventen. An eine bessere Entlohnung ist nicht gedacht.
Von Anita Heubacher
Innsbruck –Das Wort „Pflegenotstand“ kam gestern niemandem über die Lippen. Dabei war das Podium bei der Pressekonferenz in Innsbruck hochkarätig besetzt (siehe Foto). 2009 wurde die Frage nach dem Pflegenotstand von der Landespolitik klar verneint. Damals erhob man in Tirols Heimen, Spitälern und Sprengeln den Personalbedarf. 387 Pflegekräfte wurden gesucht, 286 Absolventen waren zu erwarten. 100 Stellen blieben offen, die Häuser mussten um die Mitarbeiter buhlen.
Das Land reagierte und erhöhte die Zahl der Ausbildungsplätze. Derzeit werden 1650 Personen zu Pflegern oder Pflegehelfern ausgebildet. Bis 2013 würden die Ausbildungsplätze um weitere 210 Stellen erhöht, erklärte Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (VP). Man sei in der Pflege gut aufgestellt. Die Zahl der Beschäftigten liege bei 10.000.
Ebendiese wurden für eine breit angelegte Studie befragt. Die durchschnittliche Verweildauer liegt demnach bei neun Jahren. Besonders lange arbeiten die Mitarbeiter in Krankenhäusern, am wenigsten lang in Sozial- und Gesundheitssprengeln. Der Job des Pflegers ist krisensicher. Jobwechsel sind laut Studie kein Problem (siehe Kasten), die Möglichkeiten für Teilzeit mehr als gegeben.
Trotzdem habe sich die Lage am Arbeitsmarkt noch nicht entspannt. Immer mehr ältere Menschen würden den Bedarf steigen lassen, berichtete Studienautor Roland Löffler vom Österreichischen Institut für Berufsbildungsforschung in Wien. Tirol stehe im Vergleich zu Ostösterreich noch gut da. Dort kämen wesentlich mehr Patienten auf eine Krankenschwester als im Westen.
Bis 2050 wird die Zahl der über 85-Jährigen in Tirol um 415 Prozent steigen. Engpässe in der Pflege werde es daher immer wieder geben, räumte Soziallandesrat Gerhard Reheis (SP) ein. Dass sich zu wenige für die Pflege interessieren, könne nicht am Gehalt liegen. Das Anfangsgehalt eines diplomierten Pflegers liegt laut Reheis bei 2150 bis 2250 Euro brutto im Monat, das einer Pflegehelferin bei 1900 bis 2000 Euro. Dazu kämen Nacht- und Sonntagsdienste, die extra vergütet würden. „Im Vergleich zu anderen Branchen wird in der Pflege nicht schlecht bezahlt.“
Die Pflege ist laut Studienautor Löffler „die mit Abstand am stärksten wachsende Branche“. Österreichweit bestehe der Bedarf an 50.000 bis 60.000 zusätzlichen Pflegern und Pflegehelfern. Woher also die Arbeitskräfte nehmen? „Ob man will oder nicht, man wird den Personalbedarf mit Einheimischen abdecken müssen“, erklärte der Chef des Arbeitsmarktservice (AMS) Anton Kern. In ganz Europa klaffe die Lücke zwischen Bedarf und Personal weit auseinander. Pflegepersonal sei überall gesucht. Die Zahl der Betreuerinnen aus dem Osten werde daher eher sinken als steigen. Derzeit könne man den Markt nicht zur Gänze abdecken, erklärte Kern.
Ein Versuch, mehr Menschen für die Pflege zu begeistern bzw. umzuschulen, ist die Pflegestiftung. Diese läuft über die Arbeitsmarktförderungsgesellschaft (amg). Man achte sehr genau auf die Qualität der Bewerber, erklärte amg-Chefin Maria Steibl. Nur weil der Personalbedarf riesig sei, dürfe das Niveau nicht sinken. „Alle müssen ein Praktikum absolvieren. Erst dann kommen die Kandidaten in die Stiftung.“
Studienautor Löffler empfiehlt, den Hebel früh anzusetzen. „Man müsste in den Schulen für den Pflegeberuf werben“, meinte er.