„Der Druck im Pflegebereich ist enorm“

Pflegedienstleiterin Christine Haas-Schranzhofer über schlechte Arbeitsbedingungen und viel Verantwortung.

Von Katharina Zierl

Innsbruck, Hall –Die Zeit reicht nicht. „Warm, satt, sauber – mehr ist einfach nicht drin“, sagt Christine Haas-Schranzhofer. Die Obfrau der Arge Pflegedienstleitung arbeitet in einem Altenheim in Hall und weiß, mit welchen Schwierigkeiten das Pflegepersonal täglich konfrontiert ist. „Je nach Pflegestufe haben wir pro Bewohner eine bestimmte Minutenanzahl zur Verfügung“, erklärt Haas-Schranzhofer. Die Auseinandersetzung mit den Wünschen und Bedürfnissen der Bewohner gehe sich zeitlich nicht aus, sagt die Pflegedienstleiterin.

Für organisatorische Aufgaben, die anfallen, „muss Zeit von den Pflegeminuten abgezwackt werden“, betont Haas-Schranzhofer. Dass diplomierte Kräfte Krankenhäuser als Arbeitsplatz den Altenheimen vorziehen, hat laut der Obfrau der Arge Pflegedienstleitung zwei Gründe: „Erstens bekommen sie in Krankenhäusern durch die Infektionszulage mehr Geld, zweitens ist das Image der Altenpflege einfach schlechter“, sagt Haas-Schranzhofer. „Alte Menschen sind in unserer Gesellschaft weniger wert. Als ich damals von der Intensivstation eines Krankenhauses ins Altenheim gewechselt habe, haben das viele Menschen als Abstieg betrachtet“, erklärt die Pflegedienstleiterin.

Wer in einem Altenheim tätig ist, müsse sehr viel Verantwortung übernehmen. „Weil kein Arzt vor Ort ist, müssen viele Entscheidungen selbst getroffen werden. Man bewegt sich immer ein bisschen im Graubereich zwischen Legalität und Illegalität“, sagt Haas-Schranzhofer. Der Druck, der auf den Pflegekräften laste, sei enorm: „Wir leisten alle körperlich schwere Arbeit. Und der psychische Druck ist auch sehr groß, weil man die Bewohner nie in dem Ausmaß betreuen kann, wie man das eigentlich gern machen würde.“ Schließlich wolle man, dass sich die Bewohner im Heim wohl fühlen und „einen Sinn im Leben finden“. Das sei aber auf Grund der begrenzten Zeit einfach unmöglich, gibt die Pflegedienstleiterin zu bedenken.

Laut Haas-Schranzhofer könne man den Pflegeberuf für potenziellen Nachwuchs nur interessant machen, indem man die jetzigen Arbeitsbedingungen verbessere: „Von diversen Werbe- oder Imagekampagnen halte ich nichts. Das Geld sollte man besser für das jetzige Personal ausgeben.“ Wenn die Pfleger zufrieden seien, würden sie das auch ihrem Umfeld vermitteln, „was sich wiederum sehr positiv auf das Berufsbild auswirken könnte“, sagt die Pflegedienstleiterin.

Auch eine Änderung der Ausbildung würde Verbesserungen bringen: „Man sollte das ähnlich wie die Ausbildung zur Kindergärtnerin anlegen“, sagt Haas-Schranzhofer. „Jetzt können Interessierte die Pflegeausbildung erst mit 17 Jahren beginnen. Besser wäre es, mit aufbauenden Modulen zu arbeiten – eine theoretische Ausbildung etwa mit dem Schwerpunkt Pflege, die mit der Matura abschließt“, erklärt die Pflegedienstleiterin. Dann könne die Ausbildung zum Pflegehelfer oder zur Diplomkraft erfolgen. „Die Matura würde den Beruf aufwerten und das Image verbessern“, sagt Haas-Schranzhofer.