Gesundheit

Ein schweißtreibendes Problem

Feuchte Hände, riesige Flecken unter den Achseln, hinzu kommt die Angst zu riechen. Menschen, die krankhaft schwitzen, leiden unter ihrer Situation. Ein Dermatologe erklärt, was bei Hyperhidrose hilft.

Von Nicole Unger

Innsbruck –Händeschütteln ist für die meisten eine soziale Geste, für Menschen mit Hyperhidrose ein soziales Problem. „Etwa ein bis 2,8 Prozent der Bevölkerung leiden an krankhaftem Schwitzen“, weiß Matthias Schmuth, Direktor der Innsbrucker Uni-Klinik für Dermatologie. Betroffenen rinnt der Schweiß vor allem an den Achselhöhlen, den Händen und den Fußsohlen entlang. Nicht, weil die Temperaturen zu hoch sind, Menschen mit Hyperhidrose schwitzen auch ohne Hitze. Das Problem ist ein organisches, die Ursache vermuten Mediziner in der Genetik, im Chromosom 14.

Gefährlich ist die Krankheit nicht, allerdings sehr belastend. Ungern begrüßen stark transpirierende Menschen andere Personen per Handschlag oder ziehen ihre Schuhe bei einem Besuch aus. Zu groß ist die Scham, womöglich zu riechen, obwohl man geduscht hat. Deswegen gehen viele von ihnen auf Abstand oder tragen dunkle Kleidung, um nicht aufzufallen. Sport wird für Betroffene zur Qual, weil die Schweißproduktion dadurch verstärkt wird.

„Man spricht von einer Hyperhidrose, wenn das Schwitzen mehr als sechs Monate andauert, mindestens einmal pro Woche auftritt und vor dem 25. Lebensjahr auftaucht“, erklärt Schmuth. Typischerweise hört das Schwitzen in der Nacht auf. Eine Faustregel besagt: Hat der Schweißfleck auf der Kleidung (ohne Anstrengung) einen Durchmesser von 20 cm, besteht der Verdacht auf eine Überfunktion der Schweißdrüse. Ein Maß für die Intensität liefert ein Test, der das Schweißsekret misst. Außerdem müssen im Vorfeld andere Krankheiten wie Stoffwechselstörungen, Diabetes oder Infektionskrankheiten ausgeschlossen werden, die ebenfalls übermäßiges Schwitzen begünstigen können.

Eine „Schwitzkrankheit“ verschwindet nicht von heute auf morgen. „Es gibt einen Therapie-Stufenplan, wobei man möglichst nebenwirkungsarm beginnt“, sagt Schmuth.

Stufe 1: Zunächst ist der Griff zu Deodorants sinnvoll, die in Drogeriemärkten erhältlich sind. Die besten Wirkstoffe sind jene, die die Ausführungsgänge der Schweißdrüsen verschließen. Nützen die kommerziellen Deos nichts, können Deodorantien mit höherer Konzentration vom Arzt verschrieben und in der Apotheke angemischt werden. Die Deos haben die typische, etwas hartnäckige weiße Konsistenz und können auch auf Füßen und Handflächen aufgetragen werden – allerdings nicht jeden Tag, weil der Wirkstoff Rötungen hervorrufen kann. „Wir empfehlen eine Anwendung alle zwei bis drei Tage vor dem Schlafengehen“, erklärt der Mediziner.

Stufe 2: Die nächste Maßnahme nennt sich Iontophorese. Das ist ein Wasserbad, an das Gleichstrom angelegt wird. Diese Behandlung ist ideal, wenn Füße und Hände betroffen sind, setzt aber eine gewisse Konsequenz voraus. Das Bad wird beim Hausarzt durchgeführt, das Ergebnis über mehrere Monate beobachtet.

Stufe 3: Schritt drei sieht die Einnahme von Tabletten über mehrere Monate vor. „Die Medikamente sollen jene Nerven blockieren, die Schweißdrüsen aktivieren. Es kann allerdings auch passieren, dass andere Nerven gehemmt werden“, betont Schmuth. So könne es zum Beispiel zu Mundtrockenheit kommen.

Stufe 4: Im Grunde die gleiche Wirkung wie Tabletten haben Botox-Spritzen. Das Mittel, das die meisten zur Faltenbekämpfung kennen, ist auch dafür geeignet – speziell in den Achselhöhlen –, Nerven, die zu den Schweißdrüsen führen, zu lähmen. Der Vorteil: Die Spritzen können gezielter als die Tabletten eingesetzt werden. Der Nachteil: Eine Behandlung kostet zwischen 500 und 600 Euro und wird nicht von der Kassa bezahlt.

Stufe 5: Die letzte Option ist eine Operation. Hier gibt es zum einen die Möglichkeit, durch einen Schnitt unter die Haut die Schweißdrüsen zu entfernen (nur in der Achselhöhle möglich). Da es allein unter der Achsel 20 bis 30.000 von insgesamt vier Millionen Schweißdrüsen gibt, ist es allerdings schwer, alle Drüsen zu entfernen. Trotzdem könne eine solche OP hilfreich sein. Der letzte Lösungsweg besteht darin, größere Nervenstränge zu durchtrennen. „Ein solcher Eingriff ist aber nicht mehr rückgängig zu machen und kommt daher sehr selten vor“, sagt der Arzt. Die Gefahr, andere Nervenfunktionen zu treffen, sei einfach zu groß.

Egal welche Therapie, Hyperhidrose-Patienten brauchen Zeit und Zuwendung, sagt Schmuth. Eine psychologische Betreuung oder Entspannungstechniken machen daher zusätzlich Sinn.