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Im Kampf gegen die Naturgewalt

Häufen sich verheerende Unwetter mit der Klimaerwärmung? Nein, sagen Experten. Die Wetterereignisse bleiben gleich, nur die Zahl der Schäden steigt – auch weil der Mensch sich immer weiter ausbreitet.

Von Marco Witting

Innsbruck –Kaum ein Tag ohne Sommergewitter, kaum eine Woche ohne Meldungen über Unwetterschäden. Die verheerenden Gewitter und Bilder aus der Steiermark, sie rufen in Tirol Erinnerungen an die dramatischen Schäden des Augusts 2005 hervor und werfen die Frage auf, ob sich solche Naturkatastrophen häufen. Und wie sich die Menschen davor schützen können. Denn auch für heute prognostizieren Meteorologen wieder Gewitter.

Erst kürzlich warnte der Weltklimarat (IPCC) davor, dass der Klimawandel auch in Österreich mehr Wetterextremereignisse bringen würde – mit steigenden volkswirtschaftlichen Kosten.

Dem gegenüber steht eine Studie der Zentralanstalt für Meteorologie (ZAMG) des renommierten Klimatologen Reinhard Böhm: „Unbestritten ist, dass es in den letzten Jahrzehnten wärmer wurde, im Alpenraum sogar stärker als im weltweiten Mittel.“ Damit würden Hitzewellen häufiger. Doch in den letzten 250 Jahren seien die jährlichen Schwankungsbreiten nicht extremer geworden. Überraschende Erkenntnis der Studie: Auch in den vergangenen 30 Jahren gab es keinen Trend zu mehr Variabilität, also zu einem „verrückteren“ Wetter. In einer Langzeitbeobachtung würden sich verrückte und ruhige Phasen im 100-Jahr-Rhythmus abwechseln.

Extremes Wetter mit extremen Folgen, diesen Umstand kann auch Johannes Hübl, Leiter des Instituts für Alpine Naturgefahren, nicht erkennen. „Gestiegen ist die Meldungsdichte und Sensibilisierung der Menschen. Zudem wird mehr an Infrastruktur gebaut und das teilweise in Bereichen, die gefährdet sind und früher gemieden wurden.“ Die Zahl der Ereignisse ist nach Hübls Ansicht nicht mehr geworden. Die Höhe der Schäden schon. Der Wissenschafter erinnert daran, dass 2005 Tirol schwer getroffen wurde. Das letzte derartig großflächige Ereignis. Nach fünf bis sieben Jahren würden die Menschen solche Katastrophen langsam vergessen und „dieselben Fehler machen“ wie zuvor.

Dies fängt für Hübl schon vor der Bauverhandlung und mit oft kleinen Maßnahmen, wie etwa Bodenschwellen, an. „Viele glauben, sie sind vor Naturkatastrophen gefeit.“ Hier sollte die Gesellschaft umdenken. „Auch der Einzelne ist gefordert, etwas zu tun.“ Deshalb gibt es auch Bestrebungen, gewisse Maßnahmen beim Hausbau zu standardisieren oder als Norm vorzuschreiben. „In der roten Zone helfen nur große Verbauungen. In der gelben Zone kann sich jeder sehr wohl auch selbst ein wenig schützen.“ Rund 1400 Gebäude in Tirol liegen aktuell in einer roten Zone.

„Allein im heurigen Jahr werden im Land Tirol 60 Millionen Euro in den Schutz vor Naturgefahren investiert“, erklärt LHStv. Anton Steixner. Neben den klassischen Verbauungen zum Schutz vor Wildbächen und Lawinen ist vor allem der Erhalt und die Pflege des Schutzwaldes ganz entscheidend. Und auch die landwirtschaftliche Pflege sei ein wichtiger Faktor. Steixner: „Jeder Tiroler Landwirt ist daher auch gewissermaßen ein Katastrophenschützer.“

Stark betroffen vom Hagel war zuletzt auch die Landwirtschaft. Ein Gewitter am 8. Juli richtete in den Bezirken Kitzbühel und Kufstein auf 2500 Hektar massive Schäden an. Geschätzter Gesamtschaden: rund zwei Millionen Euro. Heute Nachmittag steigt wieder die Gefahr von Gewittern. Wo genau diese abgehen werden, lässt sich für die Meteorologen aber erst kurzfristig abschätzen.