Ein Querdenker mit Haltung
Kein Vielbauer, aber ein Vielesbauer: Der Architekt Johann Georg Gsteu wird heute 85.
Von Edith Schlocker
Wien –Johann Georg Gsteu wurde vor 85 Jahren zwar in Hall geboren, gebaut hat er in Tiroler allerdings nichts. Was sehr schade ist, ist Gsteu neben Friedrich Achleitner, Wilhelm Holzbauer, Friedrich Kurrent, Gustav Peichl und Johannes Spalt doch eine der prägenden Figuren der österreichischen Nachkriegsarchitektur.
„Vor allem seine innovativen Designelemente und seine zukunftsweisenden Urbanisierungsideen machen ihn zu einem wichtigen Vordenker zeitgemäßen Bauens“, hieß es vor wenigen Wochen anlässlich der Verleihung des Josef-Lackner-Preises der Innsbrucker Architektur-Fakultät – wo er zwischen 2000 und 2005 als Gastprofessor tätig war – an Gsteu.
Im Rahmen der Ausstellung „konstantmodern“ 2009 im Innsbrucker „aut. architektur und tirol“ führte Johann Georg Gsteu neben vier bauenden Weggenossen vor, worum es ihm – ihnen – geht: Um Architektur nicht um ihrer selbst willen, sondern als Ausdruck von Haltung, letztlich um Ethik.
Für Gsteu ist beim Bauen „das proportionale Verhältnis zwischen Funktion, Form und Inhalt“ wesentlich. Der am 27. Juli 1927 in Hall geborene Johann Georg Gsteu, der an der Wiener Akademie der bildenden Künste bei Clemens Holzmeister studiert hat, hat in seinem Leben nicht viel, aber vielerlei gebaut. In einer unverwechselbaren Handschrift, die offensichtlich immun war gegen jede modische Zeitgeistigkeit.
Für Johann Georg Gsteu ist Architektur Auftragskunst, Gabe und Bewegung vom Nutzlosen zum Nützlichen. Im Vorwort zu seiner vor zwei Jahren im Pustet Verlag erschienenen Monografie mit dem Titel „System und Offenheit“ bezeichnet ihn Liesbeth Waechter-Böhm als „Längs- und Querdenker“, als analytischen Geist, der immer in Bewegung und manchmal auch provokant sei.
Zu Gsteus wichtigsten Bauten gehören u. a. das Seelsorgezentrum in Wien-Baumgarten (1965), die Bildhauer-Unterkunft im burgenländischen St. Margarethen (1968), der Pfarrsaal und Kindergarten Hetzendorf (1971), der Trakl-Steg in Salzburg (1991), das Kindertagesheim Brünnerstraße in Wien (1995)sowie das Müllzentrum Meidlinger Markt in Wien (2004).
In den letzten fünf Jahren beschäftigt sich Johann Georg Gsteu am liebsten mit der Kreation von Skulpturen, die er aus genormten Stahlprofilen, wie sie für den Hallenbau verwendet werden, biegt. Vorgestellt hat der „junge Bildhauer“ seine Objekte im vergangenen Jahr bei einer Ausstellung in der Wiener Galerie Chobot.