„Der etwas graue Geschmack des Krieges“
Ein Bestsellerautor als Kriegsberichterstatter: Jonathan Littell hat ein Buch über die syrische Rebellenhochburg Homs geschrieben.
Von Joachim Leitner
Innsbruck –Hierzulande kennt man Jonathan Littell vor allem als Autor des kontrovers diskutierten SS-Romans „Die Wohlgesinnten“, der 2006 den renommierten Prix Goncourt erhielt. In seiner Wahlheimat Frankreich hat sich der 44-Jährige in den vergangenen Jahren allerdings durch Reportagen aus Tschetschenien, Georgien und Afghanistan auch einen Ruf als Kriegsberichterstatter erworben.
Im Jänner dieses Jahres reiste Littell über einen libanesischen Schleichweg in Syrien ein, um von einem Ereignis zu berichten, das – wie er nicht ohne Stolz schreibt – „quasi ohne Zeugen von außen stattgefunden hat“: die letzten Tage der Erhebung eines Teils der Stadt Homs gegen das Regime von Bashar al-Assad. Sein Bericht „Notizen aus Homs“, der jetzt als E-Book und ab dem 27. August gedruckt vorliegt, sei – so Littell gleich zu Beginn des Textes – ein Dokument, kein literarisches Werk, die „treuestmögliche Transkription“ jener Notizhefte, die er im Krisengebiet und teilweise direkt an der Front vollschrieb.
Unbefangen ist Littells Blick auf die Ereignisse allerdings nicht. Seine Notizen sind auch ein Dokument entschiedener Parteinahme für die so genannten Rebellen, die gegen Assads Regime aufbegehren.
Schließlich war es die Freie Syrische Armee (FSA), also die Oppositionsbewegung, die ihn ins Land schmuggelte und ihn mit Informationen fütterte. Sie ermöglichte ihm den Zugang zu Krankenhäusern und Stützpunkten. Dieser Schwäche ist sich Littell bewusst. Er versucht gar nicht erst, den Konflikt von mehreren Seiten zu betrachten oder auf Distanz zu gehen, um besser beobachten zu können. Er setzt sich der Situation aus und bringt das, was er sieht, und vor allem das, was er hört, die nicht enden wollenden Zeugenaussagen über grausamste Misshandlungen und Folter, zu Papier. Dass sich aus den verschiedenen Einzelschicksalen, die Littell auf Homs‘ Straßen zusammenträgt, kein umfassendes Bild des unüberschaubaren Konflikts in Syrien zusammenzimmern lässt, liegt in der Natur der Sache. Es wäre müßig, das dem Autor vorzuwerfen.
Schwerer wiegt, dass Littell stark dazu neigt, den revolutionären Geist der widerständischen Syrer ins Romantische zu verklären. Harte Männer mit wettergegerbten Gesichtern, die über ihre Waffen gebeugt vom Krieg erzählen und über die Vor- und Nachteile von Kalaschnikows sinnieren, und er selbst als Whiskey trinkender Berichterstatter mittendrin. Dieses Beschwören eines Männlichkeitskults, der den Texten Hemingways entstiegen sein könnte, geht über weite Strecken Hand in Hand mit einer an Ernst Jünger erinnernden Ästhetisierung des Schreckens. „Die Sonne hängt über den Gebäuden, eine blasse Scheibe, die im Nebel glänzt. Der etwas graue Geschmack des Krieges.“ So viel Sprachbarock hätte Littell, dessen Bericht gerade in seinen ungekünstelten Passagen überzeugt, nicht nötig gehabt. Ein großer Wurf ist „Notizen aus Homs“ also nicht geworden, ein wichtiges und für das Verständnis der Vorgänge in Syrien grundlegendes Buch ist es aber allemal.