London sehen – und lieben?

Deutschlands Top-Duo in der Olympia-Kritik: Florian Mayer (28) wird nach seinem Achtelfinal-Aus beim „bet-at-home-Cup“ in Kitzbühel einen Bogen um London fliegen. Philipp Kohlschreiber (28) nimmt‘s locker.

Von Roman Stelzl

Kitzbühel –Draußen auf der Anlage des Kitzbüheler „bet-at-home-Cups“ hat soeben kräftiger Regen eingesetzt. Doch hier drinnen, in der Player‘s Lounge, kriegt man davon relativ wenig mit. Hier riecht es nicht nur nach einem Grillabend mit Freunden. Es sieht auch so aus. Die einen zocken freudig eine Partie Tischfußball. Die anderen liegen entspannt auf der Couch, ein Buch in der Hand, die Socken über der Stuhllehne. Und währenddessen bedienen sich die jungen Spielerfrauen am üppigen, frisch gegrillten Buffet.

Florian Mayer, der 28-jährige Deutsche aus Bayern, hat an einem altmodischen Interview-Tisch Platz genommen. Das marode, dunkelbraune Ding erinnert stark an eines dieser Folterinstrumente aus dem Mittelalter. Schrauben und Nägel muss man sich freilich noch dazudenken. Simone Bolelli (ITA) hatte den an Nummer zwei gesetzten Mayer erst vor wenigen Minuten im Achtelfinale des ATP-Turniers mit 6:2, 7:6 (4) besiegt. Doch das scheint nun weniger eine Qual zu sein, als in diesem Spielzimmer für Sportler zu sitzen. Und über das eigentliche Folterthema zu sprechen: Olympia.

„Bei uns in Deutschland wird immer alles schlechtgeredet und aufgebauscht. Die Medien in Österreich feiern auch kleine Erfolge. Wir nicht“, sagt Mayer. Er nörgelt nicht. Er erklärt. Obwohl das aufgrund seiner charakterlich eingleisigen Art zu Antworten nicht immer ganz einfach zu unterscheiden ist.

Mayer ist in seiner Heimat der zweitbeste Spieler, er liegt auf Rang 24 der Weltrangliste, und damit nur wenige Punkte hinter Philipp Kohlschreiber. Beim Grand Slam in Wimbledon spielte sich der 1,90-m-Mann vor ein paar Wochen sogar ins Viertelfinale, und dafür haben sie ihn in Deutschland dann auch ganz doll lieb gehabt. Ehe er sich etwas erlaubte, was ihm die medaillenverliebten Medien und Anhänger jetzt nicht mehr verzeihen wollen. Mayer sagte seine Teilnahme bei den Olympischen Spielen ab. Als Medaillenkandidat. Als erweiterter Favorit auf dem grünen Rasen von London.

Warum? „Ich konzentriere mich auf die großen Masters-Turniere, fliege jetzt nach Toronto. Olympia hat im Kalender keinen Platz, obwohl es sicher einen hohen Stellenwert hat.“ Die Entscheidung sei jedoch vor Wimbledon gefallen, knirscht Mayer, und da könne man halt „auch nichts mehr daran ändern“.

Es gibt noch einen anderen Grund, weswegen auch die deutschen Fans böse mit den Zähnen knirschen. Kohlschreiber, der einzige Olympia-Starter, spielt momentan Turnier (Stuttgart) um Turnier (Hamburg) um Turnier (Kitzbühel). Auf Sand, anstatt sich auf Rasen vorzubereiten. Der 28-jährige Wimbledon-Viertelfinalist beschwichtigt nun, die Umstellung falle ihm ja nicht schwer. Auf das Londoner Rasen-Turnier, das einen Tag nach dem Kitzbühel-Finale beginnt. Böse Zungen internationaler Experten behaupten, Kohlschreiber sowie Mayer würden ihre Top-Platzierungen ausnutzen, um Antrittsgelder auf der World-Tour abzukassieren. Anstatt der finanziellen Nullnummer Olympia zu folgen. Die beiden schütteln bei dem Thema aber nur den Kopf. Der gestrige Arbeitstag fand dann nicht nur Anfang, sondern auch Ende in der Player‘s Lounge: Die restlichen Partien fielen nämlich dem Regen zum Opfer.