Goldrand oder schlichte Eleganz

Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land? Schon die böse Stiefmutter in Schneewittchen konnte ohne Spiegel nicht auskommen und auch wir benützen Spiegel täglich – bewusst oder unbewusst. Historisch gesehen waren die alten Griechen bei Spiegeln besonders kreativ.

Von Ursula Philadelphy

Spiegel sind keine Erfindung unserer Zeit. Dieses die Eitelkeit unterstützende Accessoire kennen die Archäologen bereits aus ägyptischen Gräbern. Damals waren es Ganzmetallspiegel aus Kupfer, Bronze oder Silber, hatten runde, polierte Metallscheiben und mehr oder weniger üppig verzierte Griffe. Das Ägyptische Museum in Berlin besitzt zum Beispiel ein paar solche Schätze, die auf 1500 v. Chr. datiert sind. Aber auch im Archäologischen Museum in Athen findet man etwa einen schätzungsweise aus dem 6. Jahrhundert vor Christus stammenden Spiegel aus Korinth, der ebenfalls einen reich verzierten Griff hat und aus Bronze ist. Auf Kreta fand man Spiegel mit Elfenbeingriffen, die der minoischen und mykenischen Kultur zugeordnet wurden. Griechenland war bereits relativ früh sehr kreativ. Die ersten Spiegel hatten verzierte Griffe, manche waren aber auch Standspiegel mit skulpturalen Füßen und um 400 v. Chr. wurden bereits Kippspiegel entwickelt, deren Außenseite mit ganzen Reliefs verziert war.

Plinius der Ältere schrieb die kleinen Glasspiegel, die in der römischen Kaiserzeit en vogue waren, den Phöniziern zu. In Mitteleuropa gibt es nachgewiesenermaßen seit der Latènezeit (5. bis 1. Jahrtausend vor Christus) Spiegel. Ab dem 13. Jahrhundert entstanden dann die ersten Spiegel durch geblasene Glaskugeln und man findet sie auch in der Malerei der folgenden Epochen als Utensil dargestellt – etwa in der Flämischen Malerei. Zugleich ist der Spiegel in der Kunstgeschichte aber auch ein Symbol mit verschiedenartigsten Bedeutungen.

Im 16. Jahrhundert schließlich wurde Venedig zum Zentrum der Spiegelherstellung und im 17. Jahrhundert war der Spiegel aus den Schlössern Ludwig XIV. nicht mehr wegzudenken. Berühmtestes Beispiel ist der Spiegelsaal in Schloss Versailles, der mit 17 riesigen Spiegeln, jeweils vis à vis der gleich großen Fenster, prunkvoll und pompös ist; die Spiegel haben aber auch eine ästhetische Funktion, sie holen den Garten ins Innere des Schlosses.

Der luxuriöse Aspekt bestand im 17. Jahrhundert in der Tatsache, dass Spiegelglas nahezu unerschwinglich war. Die Spiegel für Versailles wurden übrigens von der französischen Glasmanufaktur Jean Baptiste Colbert gefertigt, der damit Venedig Paroli bot.

Auch heute ist Spiegelglas ein hochwertiges Flachglas, das sich durch verzerrungsfreie Transparenz auszeichnet. Geschmolzenes Glas wird auf Stahlplatten aufgebracht und flachgewalzt, nach der Kühlung dann geschliffen und poliert. Im 19. Jahrhundert wurde auf das flache Glas Silber aufgebracht, das wurde aber im Laufe der Zeit trüb und fleckig. Heute verwendet man zur Beschichtung Aluminium, aber auch Metalloxide oder sogar Gold.

Den früher ungeliebten Effekt der Spiegeltrübung zitiert die französische Designerin Constance Guisset, bei ihrem Modell „Francis“, einem runden Spiegel mit einem Durchmesser von 60 Zentimetern. Guisset experimentierte mit Farbpigmenten, die ein buntes Muster im unteren Teil des Spiegels ergeben, quasi eine farbige Alterung des Spiegels evozieren. Der Benützer des Spiegels sieht sich durch die farbigen Schlieren hindurch. Guisset lehnt sich aber auch bei der Hängung an antike Modelle an, denn „Francis“ hat auf der Hinterseite eine mittige Hängevorrichtung, wodurch der Spiegel leicht gekippt gehängt wird, wie es bei vielen alten, venezianischen Spiegeln üblich war.

Nicht immer tendiert ein Spiegel in Richtung Kunstobjekt. Die Schminkspiegel, die Thonet um 1900 produzierte, gelten heute aber als begehrte kunsthandwerkliche Meisterleistungen. Ebenso wie jene Schminktische aus den 1950er-Jahren, die dreiteilige Spiegelaufsätze hatten, wobei die beiden äußeren Teile schwenkbar waren.

Heute sind Spiegel sozusagen ein „Must-Have“ – für jeden Vorraum, für jedes Bad. Nicht selten werden in Wohnzimmern Spiegel in schönen Rahmen so gehängt, dass man interessante räumliche Effekte erzielt. Aber auch schmale Flure oder kleine Garderoben können mit Spiegelflächen erweitert werden. Ganze Wände zu verspiegeln, kennt man aus dem Ballettsaal, findet man aber auch nicht selten in Fitnessräumen. Hier ist das Ziel die Trainingsbeobachtung.

Bei Flagshipstores, die aktuell manchmal wieder etwas kleiner ausfallen dürfen als noch vor einigen Jahren, wird der Spiegeleffekt dazu genützt, mehr räumliche Weite zu suggerieren.