Karrierewege dürfen bunt sein
Immer mehr Menschen wechseln nicht nur Unternehmen oder Branche, sondern entscheiden sich für einen kompletten Berufswechsel. Der berühmte rote Faden im Lebenslauf wird zunehmend bunter.
Von Ernst Spreng
Innsbruck –Einmal im Verkauf, immer im Verkauf. Tischler gelernt und als Tischler in Pension gegangen. Das war einmal. Die Zahl jener Menschen, die nicht in ihrem erlernten Beruf in den Ruhestand gehen, wird größer. Die Offenheit und Bereitschaft steigt, im Berufsleben später entdeckte Talente zu fördern. Die Zahl der berufsbegleitenden Studien nimmt rapide zu. Karrierebrüche in den Lebensläufen sind für Unternehmen und Personalberater keine Seltenheit mehr. Aber wie reagiert der Arbeitsmarkt auf solche Quereinsteiger und berufliche Neuorientierungen?
„Früher haben wir später entdeckten Talente oft in unseren Hobbys ausgelebt, sind aber im erlernten Beruf geblieben“, meint Inge Duftner vom Tiroler Personalberater Duftner & Partner. „Heute merken wir eindeutig, dass die Zahl jener steigt, die den Mut haben, entdeckte Talente auch in neuen Berufsfeldern auszuleben.“ Für Duftner ist in der Bewertung solcher Karrierebrüche vor allem eines wichtig: „Wenn man sich für eine neue Ausbildung entscheidet, dann sollte dieser Weg auch konsequent durchgezogen werden. Der Mut, neu entdeckte Talente zu fördern, ist ein gutes Zeichen bei einem Bewerber. Sprunghaft wäre nur, wenn er beginnt und schnell wieder abbricht.“
Bildungsberater Ernst Haunholter von der Arbeiterkammer Tirol sieht in der Praxis nur wenig Argwohn gegenüber Quereinsteigern mit bunten Lebensläufen. „Ein Mensch, der mehrere berufliche Fähigkeiten ausbaut, kann einem Unternehmen die nötige Innovation und andere Sichtweisen liefern“, erklärt der Bildungsexperte. Wer in seinem Lebenslauf einen markanten Karrierebruch habe, der sollte sich in jedem Fall darauf vorbereiten, dass dieser Wechsel ein zentrales Thema im Bewerbungsgespräch ist. Hier entscheide die Argumentation, ob aus einem scheinbar bunten Sammelsurium wieder ein logischer, roter Faden werde.
Personalberaterin Duftner kann bestätigen, dass Lebensläufe inzwischen anders bewertet werden als vor einigen Jahren. „Früher war der Wunsch nach einem durchgängigen Lebenslauf wesentlich intensiver. Da heute meist eine Ausbildung zu Beginn der Karriere nicht mehr reicht und lebenslange Firmenzugehörigkeiten abnehmen, schaut die Analyse des bisherigen Berufslebens anders aus.“ Aber auch Duftner stellt klar fest, dass markante Änderungen im beruflichen Lebenslauf Punkte sind, wo man als Personalberater genauer nachfragt. „So etwas macht uns neugierig“, erklärt Duftner.
Der Tipp von AK-Bildungsexperte Haunholter ist, für Stellenbewerbung und Vorstellungsgespräch aus den Veränderungen des Berufslebens die Vorteile für die zukünftige Position herauszuarbeiten. „Ein Wechsel vom technischen Kundendienst zum Verkauf in der gleichen Sparte ist oft umsatzsteigernd, da die Kunden die Kompetenz in technischen Belangen positiv bewerten“, bringt Haunholter ein Beispiel. Auch eine handwerkliche Tätigkeit vor Studienbeginn könne als Beweis für die vorhandene Tatkraft angesehen werden – für das Zupackenkönnen.
Wer sich für einen gänzlich neuen Berufsweg entschieden hat und ein neu entdecktes Talent in Zukunft beruflich nutzen will, der kommt um eine zusätzliche Ausbildung nicht herum. „Berufliche Neuorientierung verbunden mit einer absolvierten Ausbildung wird von Unternehmen positiv bewertet“, weiß Ulrike Aigner von Connect Competence. „Schwierig ist es hingegen, wenn ich oft wechsle oder für einen neuen Beruf nicht die Fachkompetenz mitbringe. Solchen Bewerbern gegenüber ist man eher verhalten.“
Nach einem völligen Karrierewechsel ändert sich nicht nur das Berufsumfeld, sondern auch der finanzielle Rahmen. „Wie bei jedem Jobwechsel muss man sich auch beim Berufswechsel an den aktuellen Arbeitsmarkt anpassen. Je nach eingeschlagenem Karriereweg kann hier das Pendel nach unten oder nach oben ausschlagen“, erklärt Duftner.
„Wichtig ist, dass man scheinbare Brüche im Lebenslauf bei Bewerbungen nicht vertuscht“, erklärt Haunholter. Ob sie in das Bewerbungsschreiben aufgenommen werden sollen oder nur im Lebenslauf aufgezählt sind, hängt von mehreren Faktoren ab. Wie interessant ist der Bruch für den zukünftigen Job? Wie lange liegt der zweite Weg schon zurück? Wie markant war die Veränderung? Kurzum: Auch wenn heute lange Betriebszugehörigkeiten und ein geradliniger Karriereweg nicht mehr jene hohe Bedeutung wie früher haben, allzu bunt sollte man es dann doch wieder nicht treiben.