Architektur

Kunst als überflüssiger Akt und Glücksbringer

Freitagmittag wurden die 92. Salzburger Festspiele offiziell eröffnet. Die Politik sprach von Europa, Peter von Matt vom Luxus Kunst.

Salzburg –Hauptthema in den Reden der Politiker war das Projekt Europa und die Forderung nach europäischem Zusammenhalt. Die Festaktgäste wurden von Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler explizit auf den Schwerpunkt „Jüdische Musik“ in dem bereits laufenden sakralen Festspielauftakt „Ouverture spirituelle“ verwiesen.

Bundespräsident Heinz Fischer warnte vor Tendenzen zur nationalen Abschottung. Sich auf die Bühnenschicksale fremder Menschen einzulassen, könne die Empathie für reale Schicksale vertiefen und den Menschen fremde Kulturen näherbringen. „Das trägt dazu bei, forcierte nationale Egoismen zu überwinden, die einem Europa der friedlichen und vernunftbetonten Zusammenarbeit entgegenstehen“, erklärte Fischer.

Danach erinnerte Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (S) an die Idee, das Salzburger Paradestück „Jedermann“ neu zu schreiben. „Das wäre spannend, gewiss. Ich fürchte jedoch, dass dieser Auftrag bereits vergeben ist, an skrupellose Finanzspekulanten, die das Stück umschrieben.“

Kulturministerin Claudia Schmied (S) betonte, Kunst müsse ökonomisch besser abgesichert sein. „0,6 Prozent des österreichischen Bundesbudgets gehen derzeit in Kunst und Kultur. Wer die Gesellschaft weiterentwickeln will, wird Möglichkeiten suchen, diese Budgets zu erhöhen.“ Die Europäische Union müsse von einer ökonomischen Gemeinschaft zu einer Kultur- und Wertgemeinschaft wachsen, betonte Schmied.

„Kunst, Verschwendung und Gerechtigkeit“ lautete der Titel der Festrede des Schweizer Literaturwissenschafters Peter von Matt. Erstmals haben die Festspiele ihren Eröffnungsredner selbst ausgewählt, dieses Recht lag bislang beim Land Salzburg. Der 75-jährige Professor der Universität Zürich und vielfach ausgezeichnete Autor versuchte, die Legitimation von Kunst in einer Welt von Armut zu beleuchten und kam zu dem Schluss: Die Kunst sei ein überflüssiger Akt von Verschwendung. Aber sie sei zugleich ein Akt von Freiheit und Teil der menschlichen Natur. „Die Kunst erleuchtet die Welt. Aber sie tut es auf zwielichtige Weise“, argumentierte Matt: „Hat die Kunst sich denn nicht immer den Mächtigen angedient? Hat sie ihnen nicht die goldenen Throne gefertigt und die Gemächer verziert, hat sie den Kaisern nicht die schimmernden Paläste, den Päpsten die ungeheuren Kirchen gebaut? Ungezählte Werke von betäubender Schönheit sind nur entstanden, um prahlerischen Herrschern die Illusion ihrer Unsterblichkeit zu verschaffen. Heute hat die Finanzindustrie die aristokratischen Höfe abgelöst.“

Matt nahm auch die Rolle der Künstler unter die Lupe. Es sei ein sentimentaler Gedanke, von der ästhetischen Qualität der Werke auf die Moral ihrer Schöpfer zu schließen, sagte er. Doch der eigentliche Skandal an der Kunst sei, dass sie ihrem Wesen nach überflüssig ist. „Zum physischen Überleben brauchen wir sie nicht. Da steckt der Stachel. Die Kunst tritt immer hinzu. Was der Mensch zum Überleben braucht, sind Brot und Früchte und sauberes Wasser und tatsächlich leben auf dieser Erde Abertausende, denen Brot und Früchte und insbesondere sauberes Wasser fehlen. Das Einzige, was nirgendwo zu fehlen scheint, sind die Kalaschnikows.“ Am Schluss seiner Rede aber brach der Festredner Peter von Matt trotz all dieser kunstkritischen Einwände doch eine eindeutige Lanze für Kunst und Verschwendung: Kunst sei ein Glücksfaktor für alle. Denn auf der Verschwendung, dem kurzfristigen Genuss von Überfluss, beruht das Fest.

Den musikalischen Rahmen bildeten Werke von Wolfgang Amadeus Mozart und Claude­ Debussy, interpretiert vom Mozarteumorchester Salzburg unter Theodor Guschlbauer. Außerdem wurde das Auftragswerk des Innsbrucker Komponisten Johannes Maria Staud aufgeführt. Der 38-Jährige hat in seinem neuen Werk „Infin che ’l mar fu sovra noi richiuso“ (Und dann schlug das Meer über uns zusammen) einen Text aus Dantes Göttlicher Komödie vertont.

Am Rande der Eröffnung der Salzburger Festspiele protestierten Aktivisten gegen das Bettelverbot. (APA, TT)