Teheran streckt seine Fühler immer mehr nach Bagdad aus
Die iranische Führung versucht seine regionale Vormachtstellung über den irakischen Nachbarn auszubauen.
Von Arian Faal
Bagdad/Teheran - Mitten im islamischen Fastenmonat Ramadan steht die iranische Führung mit dem Rücken zur Wand. Der außenpolitische und wirtschaftliche Druck auf den schiitischen Gottesstaat ist enorm: Wegen des Atomstreits rund um die umstrittene iranische Urananreicherung hat der Westen, allen voran die USA und die EU, mehrere Sanktionspakete erlassen. Das Öl-Embargo der EU, das seit 1. Juli in Kraft getreten ist, bekommen die Bürger bereits deutlich zu spüren. Die offizielle Inflationsrate beträgt rund 22 Prozent, die Lebensmittelpreise steigen ins Unermessliche.
Von inneren Problemen ablenken
Doch Not macht erfinderisch. Schon immer haben es die Perser ausgezeichnet verstanden, zu improvisieren und von ihren tatsächlichen Problemen abzulenken. Ein wesentlicher Bestandteil der iranischen Politik ist der Ausbau der regionalen Vormachtstellung. Ein gutes Beispiel dafür ist der Irak. Um von den eigenen inneren Problemen abzulenken, wollen die Machthaber in Teheran das politische Chaos im Irak nach dem Abzug der US-Truppen für ihre Zwecke nutzen.
Denn in Zeiten, wo in Syrien der Hut brennt und der wichtigste Bündnispartner in der Region, Präsident Bashar al-Assad immer mehr an der Kippe steht, trachtet Teheran nach schiitischem Einfluss in dem von Sunniten dominierten Nahen und Mittleren Osten. Daher nutzt man die Chance, die Fühler immer weiter nach Bagdad auszustrecken. Da wundert es dann nicht mehr, wenn Freitagsgebete in Bagdad auf Persisch gehalten werden oder der radikale irakische Schiiten-Prediger Muktada al-Sadr sich regelmäßig mit dem Iran austauscht.
Dies alles passiert auf Zuruf aus dem Iran, und das wissen auch die Amerikaner. Nicht umsonst hat US-Präsident Barack Obama nun abermals verkündet, er wolle die US-Militärpräsenz am Persischen Golf verstärken.
Tiefe Feindschaft noch nicht vorbei
Was eint diese neue Achse Teheran-Bagdad? Mit der Brüderlichkeit zwischen Bagdad und Teheran ist es im Kontext der vergangenen Jahre nicht zum Besten bestellt. Die Waffenruhe Ende der 1980er Jahre beendete zwar den Iran-Irak-Krieg, nicht aber die tiefe Feindschaft gegenüber dem vor elf Jahren gestürzten irakischen Regime Saddam Husseins: So, wie einst Schah-kritische Perser - unter ihnen Ex-Revolutionsführer Ayatollah Khomeini höchstpersönlich - im Irak Zuflucht fanden, nahm Teheran damals irakische Saddam-Gegner auf, besonders Schiiten und Kurden.
Und diese sind es auch, die im neuen Irak wichtige Rollen übernommen haben. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass das Saddam-Regime nicht von den irakischen Schiiten und auch nicht vom Iran beseitigt wurde, sondern vom „großen Satan“ USA. Der US-Einmarsch im Irak 2003 löste deswegen gemischte Gefühle im Iran aus: Natürlich war man zufrieden, dass Saddam Hussein gestürzt wurde und die Schiiten im Irak endlich Zugang zur Macht bekamen, gleichzeitig aber mochte man den USA dafür nicht applaudieren. Zumal man von US-Truppen immer stärker umringt wurde: Diese waren in Afghanistan, Pakistan, Zentralasien und schließlich auch im Irak stationiert.
Die Perser sahen in den Entwicklungen im Nachbarland ein großes Potenzial für die eigene Zukunft: Wirtschaftliche, politische und sogar kulturelle Beziehungen wurden in der Zeit nach dem Sturz Saddams schrittweise intensiviert. Heute ist der Irak ein lukrativer Markt für iranische Produkte, langfristig auch ein attraktiver Markt für iranische Investitionen. Mit der Renaissance des schiitischen Halbmondes durch die neue schiitische Führung im Irak konnte Teheran im Laufe der Zeit genau genommen mehr Einfluss gewinnen als die USA. (APA)