Den eigenen Beruf erfunden
Sommeliers kennt man, aber was macht ein Risolier? Stefan Fak, der weltweit einzige Risolier, beschäftigt sich hauptberuflich mit Reis, dessen Geschichte, Rezepten und vielem mehr.
Von Judith Sam
Innsbruck –Sollten Sie Reis nur als weiße Speisenbeilage sehen, wird Stefan Fak Ihnen die Augen öffnen. Genauso wie er vergangene Woche als Kandidat bei der VOX-Sendung „Das perfekte Dinner“ den Fernseh-Zusehern einen Blick über die Reisschüssel hinaus ermöglicht hat. Der gebürtige Wiener ist der einzige Risolier der Welt. „Kein Wunder“, lächelt er, denn schließlich habe er die Bezeichnung Risolier erst ins Leben gerufen.
Er testete weltweit knapp 200 Reissorten, importierte die sechs besten nach Deutschland, tüftelt an dazu passenden Gewürzmischungen, Rezepten und Werbestrategien. „Gäbe es eine Ausbildung zum Risolier, müsste man Sozialgeschichte, kulturelle Bedeutung, Facettenreichtum, Warenkunde und Vermarktung der edlen, kleinen Körner erlernen“, ergänzt er.
Seine Reispassion entdeckte der Wahlberliner durch Zufall. 2009 kündigte er seinen Job als Marketingleiter des österreichischen Tourismusverbandes in Deutschland und reiste ohne Rückflugticket nach Asien – eine Fahrt ins Ungewisse, ohne Pläne, was er dort exakt machen wollte.
„Vor Ort zogen mich die exotischen Reisanbauvarianten, die kulturellen Unterschiede und die Zubereitungsarten in ihren Bann“, erinnert er sich. Der Vulkanreis aus Westjava etwa wird in Schlamm angebaut, nicht auf wassergefluteten Terrassen: „Dadurch wird sein Aroma deutlich intensiver, nussig, erdig.“ Der 39-Jährige lernte von Einheimischen, dass es Belege gibt, laut denen der erste Reis bereits vor mehr als 9000 Jahren am Yangtze-Delta mit System angebaut worden war, dass es mehr als 120.000 Reissorten gibt, von denen etwa 8000 kultiviert sind. „Ich fand es auch unglaublich, was die Einheimischen alles aus Reis herstellen. Sie essen ihn nicht nur, sie stellen Schuhe und T-Shirts daraus her und brennen sogar Ziegel aus dem Schlamm der Felder.“
Zurück in Berlin gründete Fak sein Online-Geschäft „Lotao“ – was so viel bedeutet wie „Gold der Völker“. Anfangs nur via Internet konnte man ab sofort „Reis, zubereitet mit altem Wissen, aber mit neuem Geschmack“ kaufen. Zusammen mit Berliner Mediendesign-Studenten entwarf der Risolier die passenden Verpackungen, in einer Behindertenwerkstatt wurden sie hergestellt.
„Nicht alle Reissorten habe ich selbst gefunden. Gleichgesinnte auf der ganzen Welt halfen mir bei der Suche“, erklärt Fak. Über Umwege lernte er etwa Emily aus Indonesien kennen. Sie bietet eine Mischung aus braunen, roten und pinken Reissorten an – der „Sparkling Volcano Terra“. Die Reispflanzen sprießen auf vulkanischem Boden in der Region Tasikmalaja auf West-Java in Indonesien. „Ich bezog auch Sorten vom internationalen Reisresearch Center auf den Philippinen“, beschreibt Fak. Dort entwickle man neue Reissorten aus verschiedenen Kreuzungen. „Dort fand ich den ‚Royal Pearl Black‘“, schildert der Berliner. Der schwarze Vollkornreis durfte ursprünglich nur von chinesischen Herrscherdynastien genossen werden. Eine Schweizerin, die Indien lange bereist hat, stellte Fak die geräucherte Reissorte „Oriental Sensation Smoked“ vor. Eine persische Familie räuchert den Smoked-Reis nach einer fast vergessenen Tradition. Ursprünglich wurde Reis durch Räuchern für den Winter haltbar gemacht – das glosende Feuer schütze ihn nämlich vor unerwünschten Insekten. Cui Cui, eine junge Dame aus Freiburg, kannte grünen Reis, den „Spirit of Bamboo Green“. Basmatireis wird dabei in China in einem Bambusrohr gedünstet. Daher erhält das Produkt seine grüne Farbe und das frische Bambus-Aroma. Nach einer Kostprobe nahm der Risolier auch den grünen Exoten in sein Sortiment auf.
Mit seinen besten Sorten im Gepäck fuhr Fak zu Feinkost-Käfer nach München. Der Chef des Hauses war angetan vom neuen Reisgeschmack. Der bayerische Feinkosthändler orderte den grünen, den bunten und den geräucherten Reis. Allesamt Sorten, deren Import nicht ganz einfach war. „Die Auswahl und Suche der Sorten war der erste Schritt auf dem Lotao-Weg. Danach ging es darum, internationale Anbieter zu finden, deren Produkte keinen Zoll- oder Ausfuhrbeschränkungen unterlagen. Wir mussten Verträge aushandeln und alles sollte – dort wo möglich – bio-zertifiziert und die Bauern sollten fair bezahlt sein“, beschreibt Fak.
Der Aufwand erklärt den Preis. Der liegt laut Fak etwa bei acht Euro für 400 Gramm Reis. Heute kann man Lotao-Produkte nicht nur im Internet erstehen. 80 Feinkosthändler von Polen bis Spanien haben die Lotao-Produkte in ihr Sortiment aufgenommen. „Auch in Tirol gibt es einige Händler“, weiß Fak. Bei Eurogast Grissemann etwa, Hörtnagl in Innsbruck und demnächst in allen Spar-Filialen.
Auf die Frage nach dem weltweit kreativsten Reisrezept antwortet er lachend: „Man ahnt es kaum: ein Eintopf aus Kärnten. Eine Freundin hat ihn aus indonesischem Reis und Geselchtem aus dem Gailtal zubereitet.“