Literatur

Leser, Verleger und Optimist

Ein Sommerloch gibt es bei Kyrene nicht. Der Verlag geht im August ins zehnte Jahr. Verleger Martin Kolozs sieht die Herausforderung der nächsten Jahre im Bereich E-Book.

Zuletzt war in Leipzig die Zukunft der kleineren Verlage ein Thema. Wo sehen Sie die Herausforderungen der nächsten Jahre?

Martin Kolozs: Die Verlagsszene ist in einer Phase der Neuorientierung. Vor allem das E-Book hat die Verlage in Alarmbereitschaft versetzt. Ich als Verleger bin aber dafür, mit- zumachen und es als eine Art Chance wahrzunehmen. Als privater, altmodischer Leser blutet mir jedoch das Herz.

In den USA beträgt der Anteil der elektronischen Bücher bereits 15 Prozent der verkauften Bücher.

Kolozs: Auf der Basler Messe war die Rede davon, dass Europa in der Entwicklung des Buchmarktes etwa sieben bis zehn Jahre hinter den USA herhinkt. In einigen Jahren werden also E-Books auch hier einen Marktanteil von 15 bis 20 Prozent haben. Kleinverlage müssen sich dem Trend stellen, auch wenn sich der Mehraufwand, E-Books zu entwickeln, erst in einigen Jahren rechnen wird. Meine Prognose ist, dass Kleinverlage, die nicht mitmachen, es in zehn Jahren noch schwieriger haben. E-Books bieten für Kleinverlage aber auch schnelle Vorteile. Ein Beispiel dafür sind wegfallende Lizenzen. Man könnte also eine Übersetzung ins Englische direkt über iTunes oder Amazon anbieten, also leichter den amerikanischen Buchmarkt betreten und einen Mittler auslassen.

Es heißt, dass es schwieriger wird, neue Autoren zu etablieren.

Kolozs: Darin spiegeln sich mehrere Probleme. Echte Leser machen etwa fünf bis sieben Prozent der Gesellschaft aus, und sind natürlich hart umkämpft. Inmitten der Präsentation von Bestsellern werden viele Autoren daher leider übersehen. Gleichzeitig passiert es, dass auch Bücher von bekannten Autoren schnell wieder vergessen werden. Die Literatur sieht sich als zeitlos an. Das Buch ist aber mittlerweile zu einem saisonalen Produkt im Frühjahr und Herbst geworden. Auch die Buchhandlungen haben sich diesem Zeitgeist natürlich angepasst und preschen mit Bestsellern vor. Ich erinnere mich an Studentenzeiten, wo in Buchhandlungen noch die Kataloge der Verlage auflagen. Buchhandlungen, in denen sich Leser umsehen, suchen und finden können, sind mittlerweile rar gesät.

Wie blicken Sie auf die letzten Jahre zurück?

Kolozs: Als Bernd Schuchter und ich vor zehn Jahren anfingen, hatten wir nicht damit gerechnet, dass es unseren Verlag nach zwei Jahren noch geben würde. Schuchter hat dann bald einen eigenen Verlag gegründet. Wenn ich zurückblicke, bin ich trotz aller Fehler, die ich gemacht habe und die mir passiert sind, stolz. Die Wahrnehmung und der Absatz des Kyrene Verlages sind gewachsen. Anfangs haben wir vier Bücher pro Jahr gemacht, mittlerweile sind es 20 bis 25 inklusive der Folgeauflagen, womit ich aber an einer Grenze des Machbaren angelangt bin. Mit der wirtschaftlichen Situation bin ich also einigermaßen zufrieden. Privat kann ich nur einen Freund zitieren, der sagte: „Ich wünsche mir manchmal die Zeit zurück, wo ich nur ein Leser war.“ Man muss sich eine dicke Haut wachsen lassen. Keine Leichtigkeit, es den Autoren recht zu machen.

Welcher Mensch steckt im Verleger?

Kolozs: Am Anfang war ich ein Idealist, jetzt wurde ich notgedrungen zum Geschäftsmann. Man ist eine zerrissene Persönlichkeit und arbeitet manchmal gegen sich selbst. Man ist Verleger und Leser, in meinem Fall auch Autor.

Sie sind vor zwei Jahren Richtung Wien losgezogen.

Kolozs: Wien ist ein guter Umschlagplatz für Literatur. Ich habe aber vor, in Tirol wieder ein Büro zu eröffnen. Schon deshalb, weil ein Drittel der Kyrene-Autoren aus Tirol stammt. Das Programm für das 10. Jahr wird „tirollastig“ werden, Schönauer, Schneitter, Augustin und so weiter, jene die von Anfang an dabei waren, werden mit neuen Büchern vertreten sein. Aber Sie glauben nicht, wie ungemein interessanter ein Verlag ist, wenn auf dem Briefkopf nur das Wörtchen Wien steht.

Sind Sie in Zeiten des Sparens versucht, am Lektorat zu sparen?

Kolozs: Wir haben ein Lektorat und ein Korrektorat. Am Anfang hatte ich diese Aufgaben selbst inne, doch jetzt liegen sie in viel professionelleren Händen. Der Umgang mit Sprache verlangt einiges an Genauigkeit, auch wenn es nie ein Buch ohne Fehler gibt. Meine Aufgabe als Verleger sehe ich mittlerweile im Verfolgen von Visionen.

Können kleine Verlage in Österreich ohne Subventionen überleben?

Kolozs: Ich persönlich finde es fraglich, Unternehmen zu subventionieren, die ohne Förderungen gar nicht überleben könnten. Druckkostenbeiträge sind aber ein Zugeständnis der Öffentlichkeit, um die Vielfalt der Bücher und ihrer Inhalte zu erhalten. Wenn wir einen Druckkostenbeitrag bekommen, dann wird das Geld hundertprozentig in die Herstellung der Bücher gesteckt.

Hat der Autor in Ihnen noch Platz?

Kolozs: Ich habe als Autor begonnen und bin in den Verlag gewachsen. Für das tägliche Schreiben habe ich mir aber immer einen Platz reserviert. Grundsätzlich trenne ich die beiden Bereiche. Verleger ist mein Beruf, während der Autor einfach ein Bestandteil meines Inneren ist.

Das Gespräch führte Sabine Strobl