„Siesta ade“: Spanien verlängert wegen Krise Ladenöffnungszeiten
Die spanische Regierung hat die Ladenöffnungszeiten verlängert und dabei auch die Siesta gekippt. Madrid hofft so auf höhere Umsätze im Einzelhandel. Vor allem ausländische Touristen sollen mehr Zeit zum Einkaufen haben.
Madrid (dpa) - Spanien will es vor allem den Touristen beim Einkaufen leichter machen und schlachtet dabei auch eine heilige Kuh: Die Siesta. Die Regierung in Madrid hat beschlossen, die Ladenöffnungszeiten zu verlängern und die Zahl der Sonntage, an denen die Geschäfte öffnen dürfen, zu erhöhen. Auch geöffnete Geschäfte zwischen 14.00 und 16.00 Uhr sind nun kein Tabu mehr. Die spanischen Einzelhandelsgeschäfte dürfen jetzt 90 statt der bisherigen 72 Stunden in der Woche öffnen. Kleinere Geschäfte mit weniger als 300 Quadratmeter Verkaufsfläche dürfen sogar täglich zu jeder Zeit öffnen, also auch während der Siesta, die bisher heilig war. Zudem können Kunden künftig an 16 statt zwölf Sonntagen einkaufen gehen.
Noch mehr Freiheit gibt es für Geschäfte in Touristengebieten und Ferienorten: Dort dürfen sie an allen Feiertagen und Sonntagen im Jahr ihre Türen öffnen. Für die Definition eines Touristengebietes hat die Regierung folgende Kriterien festgelegt: Es muss mindestens eine Stadt mit mehr als 200.000 Einwohnern sein, die Zahl der Übernachtungen pro Jahr darf nicht weniger als eine Million betragen, und mindestens 400.000 Kreuzfahrttouristen müssen in dem Gebiet pro Jahr registriert werden. Küstenstädte wie Barcelona, Valencia, Alicante oder Málaga entsprechen diesen Anforderungen.
Mit den neuen Maßnahmen will die spanische Regierung vor allem ausländische Touristen dazu anregen, mehr Geld auszugeben, denn die Nachfrage der spanischen Konsumenten ist infolge der Wirtschaftskrise seit Jahren rückläufig. Ausländer, die Spanien besuchen, klagten immer wieder darüber, dass die Geschäfte zwischen 14.00 und 16.00 Uhr geschlossen sind. Auch die Restaurants schließen während der Siesta die Küchen.
Spanien braucht dringend Einnahmen
Die Regierung will es den jährlich 57 Millionen Touristen recht machen, denn das Land braucht in der Krise dringend mehr Einnahmen. Die Ausgaben der ausländischen Touristen in Spanien beliefen sich 2011 nach Angaben des Ministeriums für Tourismus auf knapp 54 Milliarden Euro, 7,9 Prozent mehr im Vorjahr. Der Anteil der deutschen Touristen lag bei 16,4 Prozent, britische Urlauber stellten mit 19,7 Prozent den größten Anteil. Der Tourismus hat einen Anteil von 10,2 Prozent am spanischen Bruttoinlandsprodukt.
Die neue Regelung ist jedoch nicht mit allgemeiner Begeisterung begrüßt worden. Der Konsumentenverein OCU ist unzufrieden: Die Liberalisierung der Einkaufszeiten sei „eindeutig unzureichend, denn sie erfüllt nicht die Bedürfnisse vieler Konsumenten, die sich flexiblere Ladenöffnungszeiten wünschen.“ Dies gelte insbesondere für Einpersonenhaushalte, Einelternfamilien und Ehepaare ohne Kinder, die in Spanien bereits fast die Hälfte aller Haushalte bildeten, betonte der Verein der Großen Kaufhäuser (Anged).
Kleinere Geschäfte fürchten dagegen, dass die neuen Öffnungszeiten ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen könnte: Im Gegensatz zu den Kaufhäusern ist es für sie schwierig, zusätzliches Personal einzusetzen. Für sie wird die Lage demnächst noch prekärer: Am 1. September tritt eine kräftige Anhebung der Mehrwertsteuer in Kraft, die die Kaufkraft der Konsumenten noch weiter drosseln wird. Ein spanischer Blogger brachte das Problem ganz einfach auf den Punkt: „Das Geld, das ich in meiner Tasche habe, wird sich nicht dadurch vermehren, dass mir mehr Stunden zum Einkaufen zur Verfügung stehen.“ (dpa)