„Größte Show auf Erden“, „Wow“: Lobeshymnen für Eröffnungsfeier
Die olympische Eröffnungsfeier in London hat weltweit ein überaus positives Echo gefunden. Auch die Sportler waren hingerissen. Im Mittelpunkt vieler Lobeshymnen: Regisseur Danny Boyle.
London - Die Queen wird zum „Bond Girl“ und die öffentlichkeitsscheue Harry-Potter-Autorin JK Rowling liest öffentlich vor einem Milliardenpublikum: Wenn das zusammentrifft, muss Olympia sein. London hat zur Eröffnung der XXX. Olympischen Sommerspiele ein sympathisches Spektakel der Superlative abgeliefert. „Very british“ und doch so weltoffen witzig und mit angenehm wenig Pomp und Pathos versehen. Als das britische Team als letztes der 205 Delegationen unter dem grenzenlosen Jubel der 62.000 Zuschauer hinter Fahnenträger Chris Hoy ins Olympiastadion lief, spielte kein geringerer als David Bowie auf: „Heroes!“
„Mitreißend“, „Zauber“ und „so british“: Die Eröffnungsfeier der Olympischen Spielen in London hat in den internationalen Medien begeisterte Kritiken bekommen - und beste Werbung für das Gastgeberland gemacht. „We love these games!“ schrieb am Samstag die französische Sportzeitung „L‘Équipe“ auf Englisch und verpackte ihre Lobeshymnen in zwei Fragen; „Wie kann man ein solches Land nicht mögen, das sich selbst mit so viel Humor, Feierlichkeit und Selbstironie darstellt?“ und „Wie kann man ein solches Land nicht mögen, in dem die Königin mit dem berühmtesten Geheimagenten des Landes per Fallschirm im Olympiastadion landet?“
Zumindest am Tag nach der Zeremonie mit Witz, Schwung und Poesie war die Antwort klar: Alle mögen Großbritannien - auch wenn einige Kommentatoren von der ungewöhnlichen Inszenierung des Oscar-gekrönten Regisseurs Danny Boyle bisweilen irritiert waren. „War das eine Eröffnungsfeier oder eine Nacht in einem Pub? Wurden die Spiele 2012 geehrt oder veralbert?“, schrieb der Kolumnist der „Los Angeles Times“ und schloss: „Was immer es war: Es war verdammt wunderbar.“ Die „New York Times“ nannte die Feier „ein teilweise durchgeknalltes Porträt von einem Land“.
„Die größte Show auf Erden“
Die britische Presse überschlug sich am Samstag mit Lobeshymnen auf das Spektakel, das mit über drei Stunden eine Stunde länger dauerte als geplant. „Die größte Show auf Erden“, titelte die „Times“ und schrieb: „Gerührt und geschüttelt - die Queen zeigt zusammen mit 007 eine magische Nacht voller Geschichte, Spektakel und vor allem Humor.“ „Boyle zerreißt das Regelwerk, um unsere Herzen und Seelen offenzulegen“, lobte „Daily Telegraph“ den kreativen Kopf des Megaevents. Auch „The Guardian“ adelte Boyle: „Schillernd und einfallsreich - Boyle bekommt die Lizenz zum Begeistern und schüttelt alles durch“. Das Boulevardblatt „The Sun“ meinte nur kurz und bündig im Titel: „Wow!“
Brasiliens Zeitungen sahen in der Aufführung ein Vorbild für die eigene Ausrichtung des weltgrößten Sportfestes in vier Jahren. „Schon jetzt sind die Organisatoren der Olympischen Spiele 2016 in Rio herausgefordert, eine Attraktion zu präsentieren, die im Vergleich zu der Show in London nicht viel zu wünschen übrig lässt“, meinte „Estado de São Paulo“.
Aus China meldete sich der Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei zu Wort. „Die Eröffnung in London ist frei, entspannt und berührend, wandelt sanft zwischen Zeit und Raum, strahlt Zuversicht aus“, sagte er. „Es ist das Festival des modernen Bürgertums.“
Der „Washington Post“ waren es dagegen bei dem aufwendigen Spektakel mit 15 000 Laiendarstellern der hintergründigen Anspielungen ein wenig zuviel. Die Zeitung nannte die 27 Millionen Pfund (34 Millionen Euro) teure Show „den größten Insiderwitz der Welt“. Auch der übertragende Sender BBC hatte schon am Abend nach dem Fest befürchtet, dass die vielen Anspielungen auf britische Fernsehsendungen und sogar auf das viel kritisierte Gesundheitssystem auf der Insel bei vielen nicht nur gut ankam. Schließlich kamen 95 Prozent aller Zuschauer nicht aus Großbritannien. Als „Mr. Bean“-Darsteller Rowan Atkinson dem London Philharmonic Orchestra jeden Ernst nahm, mussten dagegen alle lachen.
Boyle hatte kurz vor dem ersten Paukenschlag der Spiele von London angekündigt: «Ich werde ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis liefern.» Die meisten Kommentatoren sind sich nach der Feier einig: Der Oscar-Preisträger hat Wort gehalten. Der mit Lob und Begeisterungstürmen überhäufte Mann am Regiepult verzichtete gemeinsam mit IOC und Organisationskomitee LOCOG sogar auf den erwarteten Superstar bei der Entzündung des olympischen Feuers - die englischen Buchmacher mussten ihren Kunden die Einsätze zurückgeben, die seit sieben Jahren gesetzt worden waren.
Signal: Olympische Zukunft gehört der Jugend
Obwohl auch die 70 Jahre alte und schwer kranke Box-Legende Muhammad Ali noch einmal die olympische Flagge berührte, setzte London 2012 schon vor dem ersten Startschuss ein deutliches sportpolitisches Signal: Die olympische Zukunft gehört der Jugend - nicht der Altherren-Riege auf der Tribüne. Nicht Großbritanniens Rekord-Olympiasieger Steve Redgrave entzündete das Feuer im Stadion von Stratford und auch nicht Zehnkampf-Ikone Daley Thompson. Stattdessen erledigten sieben junge Talente den ehrenvollen Job - keiner älter als 19 Jahre, keiner mit olympischen Medaillen dekoriert. 204 kleine Feuer schlossen sich schließlich in einer technisch aufwendig gestalteten Schale zu einer Einheit zusammen. Am Ende der Spiele wird jedes Land „seine“ kleine Schale wieder mit nach Hause nehmen.
Die Botschaft ist klar: Olympia, in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr zu einem Fest für Sponsoren, Fernsehsender und Funktionäre verkommen, soll wieder zurück zu seinen Wurzeln, zu einem fröhlich-friedlichen Treffen der „Jugend der Welt“. Der Weg, den das IOC mit der Aufnahme von Trendsporten wie Mountain-Bike oder Snowboard im Winter begonnen hat, wird weitergegangen. „Inspire a generation“ lautet das Motto von London 2012. Der olympische Gedanke soll nachhaltig auch in den Breitensport getragen werden.
Dennoch fehlte es der Olympia-Eröffnung nicht an Knalleffekten - nicht nur wegen des gigantischen Feuerwerks zum Abschluss. Queen Elizabeth II. trat erstmals in ihrem Leben als Schauspielerin in Erscheinung - an der Seite von „James Bond“-Darsteller Daniel Craig. Fußballstar David Beckham, für das Olympia-Team ausgebootet, fuhr das olympische Feuer spektakulär mit einem Rennboot über die Themse zum Stadion.
Rogan: „Noch viel schöner als erwartet“
Auf der Tribüne sorgten die britischen Royals - neben der Queen waren auch Prinz Charles und Camilla sowie die Enkel Harry und William nebst Gattin Kate da - für den Promifaktor. US-First-Lady Michelle Obama winkte enthusiastisch ihrem US-Team zu. Bundeskanzler Faymann freute sich beim Einlauf des österreichischen Teams. Ich war noch nie so stolz, Österreicher zu sein“, erklärte Österreichs Fahnenträger Markus Rogan, nachdem er das österreichische Team ins Londoner Olympiastadion geführt hatte. „Es war noch viel schöner als erwartet.“