„Feuersturm über Aleppo“: Assad lässt Millionenstadt bombardieren
Präsident Assad machte seine Drohung wahr und startete eine Großoffensive. Die Lage für Zivilisten wird unerträglich.
Yacine Benrabia/AFP
Aleppo - Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als ein Feuersturm über der 2,5 Millionen Einwohner zählenden Stadt Aleppo hereinbricht. Mit Militärjets, Kampfubschraubern und Panzern feuert die syrische Regierungsarmee am Samstag ab 04.00 Uhr früh stundenlang Raketen und Granaten auf Salaheddin und andere Viertel, in denen sich die Aufständischen verschanzt haben. In der berühmten Weltkulturerbe-Stadt im Nordwesten Syriens droht ein zerstörerischer Häuserkampf, während die Lage für die verbliebenen Zivilisten immer schlimmer wird.
Die syrische Führung um Präsident Bashar al-Assad hat ihre Drohung wahr gemacht und ihre Offensive gegen die Rebellen in Aleppo gestartet. Nach Angaben der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte brachen dort „die schlimmsten Kämpfe seit Beginn des Aufstandes“ gegen Assad vor 16 Monaten los.
Zwei Tage lang hatte die syrische Armee Soldaten, Panzer und schwere Waffen rund um die zweitgrößte Stadt des Landes zusammengezogen, während die Aufständischen versuchten, sich mit leichten Waffen und einigen Panzerabwehrraketen zu wappnen. Mit rund hundert Panzern hat die Regierungsarmee das Viertel Salaheddin umstellt.
Flankiert von der schweren Artillerie versuchen die Regierungssoldaten, in Salaheddin vorzudringen. Ein erster Vormarsch sei abgewehrt worden, sagt Abdel Jabbar al-Okaidi, ein Oberst der aufständischen Freien Syrischen Armee (FSA). „Wir haben acht gepanzerte Fahrzeuge zerstört.“
Auch einen Angriff auf das Viertel Hamdanijeh können die Aufständischen zunächst abwehren. Auf der Straße sind drei zerstörte Panzer und zwei gepanzerte Fahrzeuge sowie die Leichen von fünf bis sechs Soldaten und vier Rebellen zu sehen. Unter den Rebellen sind auch ausländische Kämpfer, die sich als Brigade der vereinigten Mujahedin ausgeben. Sie berichten, sie kämen aus Algerien, Frankreich, Schweden und Tschetschenien.
Ein von den Aufständischen veröffentlichtes Internetvideo zeigt Milizen, die wie von Sinnen auf die über ihnen kreisenden Helikopter feuern. In einem anderen Video ist ein brennendes Gebäude zu sehen, während Gewehrsalven und in einer Moschee vorgetragene Koranverse zu hören sind.
Kein Strom, kein Wasser und Lebensmittel werden knapp
Tausende sind in den vergangenen Tagen aus der einst lebendigen Wirtschaftsmetropole geflohen. Für die in Aleppo verbliebenen Zivilisten wird die Lage indes immer bedrohlicher. Es gibt keinen Strom und auch kein Wasser mehr, die Lebensmittel werden knapp. „Tausende Menschen fliehen vor dem Bombardement durch die Straßen. Sie werden von Helikoptern terrorisiert, die in niedriger Höhe fliegen“, berichtet ein Aktivist namens Amer. Die meisten Zivilisten suchten Schutz in Kellern, Schulen oder öffentlichen Parks außerhalb der Kampfzone. „Sie kommen nicht mehr raus aus der Stadt“, sagt Amer via Skype.
Die Gefechte um Aleppo werden von Assad als womöglich entscheidend betrachtet. Regierungstreue Medien sprechen von der „Mutter aller Schlachten“. Die Zeitung Al-Watan schreibt: „Aleppo wird die letzte Schlacht der syrischen Armee sein, um die Terroristen zu schlagen.“