Agrarische Dissonanzen
Während für Bauernkammerpräsident Hechenberger das Thema Agrargemeinschaften poli-tisch und rechtlich beinahe erledigt ist, ortet Gemeindepräsident Schöpf noch große Defizite.
Das Klima zwischen Landwirtschaft und Gemeindeverband ist nicht das beste. Bauernbundfunktionäre sagen, dass mit Ernst Schöpf der Feind in den eigenen Reihen sitzt.
Schöpf: Dass manche bäuerlichen Funktionäre mit mir keine Freude haben, das ist nachvollziehbar. In der Causa Prima „Agrargemeinschaften“ sagen viele Bauern aber auch, dass ihre Funktionäre da falsch liegen. Sie wissen, dass sie nur Nutzungsrechte am Gemeindegut hatten. Dass über ein halbes Jahrhundert mehr daraus wurde, ist eine Sache, aber dass vier Jahre nach dem höchstgerichtlichen Erkenntnis zu Mieders immer noch so getan wird, als gebe es dieses nicht, begreifen manche Bauern auch nicht.
Hechenberger: Die Stimmung ist geprägt von der Agrardebatte. Bauern, aber auch Bürgermeister kritisieren die Vorgangsweise des Gemeindeverbandspräsidenten. Das Thema Agrargemeinschaften ist aus meiner Sicht bis auf die Substanzaufarbeitung, sprich Vermögensauseinandersetzung, erledigt. Von der Agrarbehörde wird der Substanzwert für die Gemeinden inklusive Jagdpacht mit drei bis fünf Mio. Euro bewertet.
Schöpf: Zu sagen, der Substanzertrag pendle sich zwischen drei und fünf Mio. Euro ein, ist eine bewusste Irreführung. Das lese ich wöchentlich in der Bauernzeitung. Zuletzt hast du mich noch als Hardliner hingestellt. Dass man in Tirol bereits zu den Hardlinern zählt, nur weil ich auf die Einhaltung der Gesetze poche, wundert mich schon.
Hechenberger: Die Zahlen haben wir von der Agrarbehörde. Ich sage stets, die Höchstgerichtserkenntnisse sind umzusetzen. Aber nicht jeder Konsens in einer Gemeinde darf schlechtgeredet werden. Wenn du ständig die Rückübertragung des Gemeindeguts forderst, dann darf ich schon darauf verweisen, dass der Verfassungsgerichtshof davon nichts sagt, sondern vielmehr den Begriff des atypischen Eigentums geschaffen hat.
Die Fronten sind verhärtet, das Agrarthema wird uns wohl bis zur Landtagswahl beschäftigen.
Schöpf: Es ist noch nicht so abgearbeitet, wie ständig gepfiffen wird. Um das alles zu akzeptieren, müsste ich mich schon ziemlich verbiegen. Aber das schafft der Ernst Schöpf nicht.
Hechenberger: Rechtlich und politisch ist die Sache mehr oder weniger erledigt. Die Debatte hat dem Image der Bauern aber nicht gutgetan.
Die Entwicklung des Landes wurde zuletzt intensiv debattiert. Was sagt der Gemeindeverband zum geforderten Widmungsstopp der Bauernkammer?
Schöpf: Damit muss man sehr vorsichtig sein, schließlich ist Raumordnung ein dynamischer Prozess. Dass wir zu viel gewidmetes, aber unverbautes Bauland haben, ist ein Resultat der 1980er-Jahre. In der Folge wurde kaum zurückgewidmet. Bisher ist es nicht gelungen, den Baulandüberhang von 30 Prozent zu mobilisieren. Ein Widmungsstopp ist eine schöne Sprechblase, die der praktischen Vernunft nicht leicht standhält. Mir fällt auch keine Maßnahme ein, wie Bauland wirklich mobilisiert werden kann.
Hechenberger: Du sagst, wir sollen Bauland möglichst rasch mobilisieren. Das ist nicht mein Zugang zur Raumordnung. Wir sollten vielmehr ungenütztes, aber bereits bebautes Bauland wie Gebäude in den Orstkernen besser nützen, und nicht möglichst schnell die Inntalfurche und die Gunstlagen zubetonieren. Tirol hat nur 12 Prozent siedelbare Fläche. Mit den kostbaren Grundflächen müssen wir sorgsam umgehen.
Schöpf: Das ist ein Missverständnis. Ich behaupte nicht, dass wir alles schnell verbauen müssen. Die Revitalisierung der alten Bausubstanzen bis hin bis zur verdichteten Bauweise unterstütze ich. Aber die Baulandmobilisierung wäre wichtig. Aber wie gesagt, ich habe selbst keine vernünftige Lösung dafür.
Hechenberger: Die Landwirtschaftskammer wird ein Forderungspapier an die Landesregierung ausarbeiten. Wir haben eine Verantwortung für die nächste Generationen. Es benötigt eine umfassende Debatte. Die Bauern befürchten, dass zunehmend Flächenressourcen für die Landwirtschaft verloren gehen.
Haben die Bürgermeister in der Raumordnung zu viel Macht?
Schöpf: Ich kenne kaum Bürgermeister, die von sich aus Widmungen vornehmen. Gemeindebürger kommen aus unterschiedlichsten Interessen auf die Gemeinde zu – auch weil sie eine Widmung benötigen, um Schulden zu begleichen. Natürlich kann man sagen, die Bürgermeister waren zu schwach. Aber es kommen auch immer wieder Interventionen aus dem bäuerlichen Bereich.
Hechenberger: Trotzdem müssen wir gegensteuern: Es gibt Ortskerne, die leerstehen, und am Dorfrand entstehen neue Siedlungen. Das ist eine Fehlentwicklung wie bei den Gewerbegebieten.
Schöpf: Fehlentwicklungen müssen wir korrigieren. Bei gemeindeübergreifenden Gewerbegebieten passiert das bereits, da waren wir vielleicht einige Jahre zu spät dran.
Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit der Landesregierung?
Hechenberger: Ich bin Interessenvertreter, es ist nicht meine Art, von außen Empfehlungen abzugeben.
Schöpf: Bei den Agrargemeinschaften sind wir nicht zufrieden, in allen Bereichen will ich nicht jammern. Bei der Pflege sind wir auf einem guten Weg, auch bei der Kinderbetreuung. Manches könnte jedoch schneller gehen, da spreche ich konkret den Ausbau der Wasserkraft an.
Sie beide sind auch prominente Vertreter der ÖVP. Wie geht es der Tiroler VP?
Hechenberger: In den vergangenen Wochen war die Performance nicht zu 100 Prozent perfekt. Aber Debatten in der ÖVP, die alle Berufsgruppen vereint, sind das Spannende. Das ist letztlich auch die Stärke und der Reiz der Partei.
Schöpf: Familienintern wird immer etwas gemault, aber das sehe ich nicht kritisch. In einer Partei lebhaft zu debattieren, ist nichts Schlechtes. Die Frage ist nur, wie geht man letztlich mit der Maulerei um. Im Prinzip halten Konflikte in Form.
Das Gespräch führten Anita Heubacher und Peter Nindler