Reise

Heimatliebender Weltentdecker

Er machte die „Sahara-Puch“ zur motorisierten Legende und kämpfte sich in sechs Monaten auf dem Landweg bis nach Indien vor: Am 2. Oktober wäre der Tiroler Abenteurer und Reisejournalist Max Reisch 100 Jahre alt geworden. Zumindest auf dem Kalender, denn nach seiner Definition starb er mit 102.

Die Heimat schätzt nur, wer viel von der Welt gesehen hat.“ So hat der Tiroler Abenteurer, Forschungsreisende und Verkehrs­pionier Max Reisch, der am 2. Oktober 100 Jahre alt geworden wäre, einmal die Beziehung zu seiner Heimatstadt Kufstein beschrieben. Die Welt hat Reisch zur Genüge gesehen – und dabei unter anderem mit seinen Motorradfahrten durch die Sahara 1932 und nach Indien im Jahr 1933 Geschichte geschrieben.

Die Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg waren die abenteuerliche Blütezeit des Max Reisch, ein Coup folgte dem nächsten. Begonnen hatte alles 1930, als er mit seinem ersten Motorrad Skijöring-Rennen unternahm und mit seiner „Stilfser-Joch-Puch“ zu einer Zwölf-Pässe-Fahrt über die Alpen aufbrach. Darüber schrieb er Reiseberichte in Fachzeitungen, etwa mit dem Titel „Mit 3 PS zum Stilfser-Joch“.

Dann folgten die Großtaten, die den Kufsteiner zum unsterblichen Pionier werden ließen: Von dem schwedischen Forschungsreisenden Sven Hedin und den Abenteuerromanen Karl Mays inspiriert, fuhr er 1932 gemeinsam mit seinem Kollegen Alfred Schricker aus Nürnberg mit einer Puch-Maschine, Baujahr 1929, in die Sahara. Damit gelangte erstmals ein österreichisches Motorrad nach Afrika, die „Sahara-Puch“ wurde zur motorisierten Legende. Der Verkehrspionier sprach zwar nur von einer „Testfahrt“, die aber aufgrund der bewältigten Strecke von 9600 Kilometern als Sensation gewertet wurde. Insgesamt legte er die Strecke Bozen – Spanien – Marokko – Algerien – Tunesien – Libyen – Bozen zurück. Die Reise sorgte europaweit für Schlagzeilen. Der als Journalist und Schriftsteller immer erfolgreichere Tausendsassa Reisch schrieb seine Erlebnisse auf der Fahrt später im Jugendbuch „Mit 6 PS durch die Wüste“ nieder.

Ein Jahr später gelang es Reisch mit seinem Wiener Begleiter Herbert Tichy, erstmals Indien von Europa aus mit einem Motorrad auf dem Landweg zu erreichen. Den Auftrag dafür erhielt der damalige Student für Welthandel an der Universität Innsbruck von der heimischen Fahrzeug- und Reifenindustrie. Sechs Monate dauerte die beschwerliche Fahrt über 13.000 Kilometer, die quer durch den Balkan, Anatolien, Mesopotamien und Persien führte. 1935 setzte er die Durchquerung Asiens von Palästina bis ins „Reich der Mitte“ mit einem von der österreichischen Autoindustrie zur Verfügung gestellten Steyr 100, Baujahr 1934 und 32 PS, fort. Beendet wurde die Transasien-Expedition 1936 in Shanghai. Über Japan, die USA und Mexiko kehrte Reisch nach einer Wegstrecke von rund 40.000 Kilometern nach Europa zurück. Es folgten in den 50er Jahren Reisen mit einem Wohnmobil nach Arabien und Afrika sowie Sinai-Expeditionen. Von 1946 bis 1950 hatte Reisch zusammen mit seinem älteren Bruder Hans F. Reisch die väterliche Handelsfirma geführt. Dieser gründete dann 1954 die Spar-Großhandelskette.

„Es war sein Forscherdrang, nicht die Abenteuerlust, die ihn angetrieben hat. Er wollte beweisen, dass man mit nicht serienmäßigen Fahrzeugen solche Expeditionen durchführen kann“, sagte sein in Bozen lebender Sohn Peter Reisch der APA. Dieser verwaltete in Bozen das „Max Reisch-Orient-Archiv“. Es umfasst sämtliche Aufzeichnungen und Fotodokumente der zahlreichen Expeditionen sowie Filmdokumente, Publikationen und Zeitungsartikel. Seit 2008 ist dort auch die Sammlung der Expeditionsfahrzeuge mit den historischen Reiseausstattungen untergebracht.

Sein Vater habe die Reisen immer akribisch vorbereitet und sei nie „ins Blaue gefahren“, sagte Reisch. Weltoffenheit und Heimatverbundenheit hätten Max Reischs Leben gekennzeichnet. Im Büro des Reisepioniers sei der Spruch „Es gibt viele Länder, aber nur eine Heimat“ an der Wand gehangen, berichtete der Sohn. Er habe aber auch den Spruch geprägt: „Jeder Mensch braucht ein bisschen Wüste“. Von seiner regen Vortragstätigkeit und den Büchern finanzierte sich Reisch seinen Lebensunterhalt, bis zuletzt lebte er gut von seinen Pioniertaten. Am 18. Jänner 1985 starb der Mann, der auszog, um scheinbar Unmögliches möglich zu machen, im Alter von 72 Jahren. „Ich bin zufrieden, denn ich bin 102 Jahre geworden. Die Jahre in der Wüste zählen doppelt“, soll er zufrieden eine finale Lebensbilanz gezogen haben. (APA)