Große Schäden durch kleine Tiere
Tiere sind ja meistens nette Besucher. Mitunter wird allerdings die Tierliebe der Gastgeber auf eine harte Probe gestellt, z. B. wenn Stockenten im Biotop wüten, Spechte das Haus zerhacken oder Marder an Autokabeln knabbern.
Von Helmut Pechlaner
Wir freuen uns über Singvögel beim Futterhäuschen am Balkon, über Igel im Garten oder Eidechsen auf der Natursteinmauer. Wir leben mit dem Lärm des Straßenverkehrs und dulden laute Flugzeuge; aber wir gehen zu Gericht, wenn der Hahn des Nachbarn ein paar Mal kräht.
Wir machen eben unsere Revieransprüche geltend.
Wildlebende Tiere akzeptieren vielleicht den Revieranspruch eines Artgenossen, aber ein menschliches Gebäude wird als angenehme neue Futterquelle oder Wohnmöglichkeit neugierig begutachtet und schnell bezogen, nicht immer zum Vergnügen des Menschen.
Der freut sich zwar über ein Storchennest auf dem Dach oder ein Amselnest beim Blumenkistel. Aber damit hat seine Toleranz meist ein Ende, wenn z. B. Folgendes passiert: Gehämmer an der Hausfassade. Ein Buntspecht hat durch Klopfen festgestellt, dass die Hauswand nicht aus Fels besteht, sondern aus Materialien, die es ihm ermöglichen, mit Hilfe seines Meißel-artigen Schnabels weithin hörbaren Krach zu erzeugen. So teilt er seiner Spechtverwandtschaft mit, dass er dieses Revier beansprucht und eventuell noch eine Partnerin sucht.
Das kräftige Klopfen deutet nicht nur auf einen gesunden Specht hin, sondern lässt auch den unfreiwilligen Gastgeber befürchten, dass in den Hohlräumen hinter dem dünnen Verputz allerlei Larven zu finden sind. Während Thermoputz und Wärmedämmung eher selten wirklich beschädigt werden, hat die schöne Holzverschalung im Giebelbereich fast keine Chance. Der Specht meißelt sie kurz und klein, die Hausbesitzer sind der Verzweiflung nahe.
Marder waren früher gefürchtet, weil sie Hühner und Kaninchen aus den Ställen holten, aber inzwischen wurden sie Technikfreaks. Ein Auto, das spätabends vor dem Haus abgestellt wird, bietet auch um Mitternacht noch einen warmen, behaglichen Motorraum und etwas Süßliches zum Kauen – z. B. Gummikabel. So ist heute jeder beunruhigt, wenn er abends in seinem Wohnbereich einen Steinmarder über die Straße huschen sieht.
Wie harmlos ist dagegen das Klopfen der Rabenvögel an die Fensterscheiben oder das Auf-und-ab-Fliegen der Finken oder Meisen an unseren Fenstern. Für den Vogel, meist sind es Männchen, ist die Scheibe ein Spiegel, in dem er sich selbst für einen unerbittlichen Rivalen hält; und den möchte er natürlich unbedingt sofort vertreiben.
Gartenbesitzer legen gerne ein Biotop an, um an diesem Kleinlebensraum viele Wunder der Natur beobachten zu können. Viele verzichten auf das Einsetzen von Fischen, damit sich die Insektenvielfalt ungestört entwickeln kann. Bald sind sogar prächtige Libellen da, und meist wandern auch Frösche und Kröten ein. Harmonie pur – bis plötzlich im Frühjahr einige Stockenten den Tümpel im Flug entdecken und erobern. Da wird gepaddelt, getaucht, gewühlt und natürlich auch die Vegetation zerknabbert. Innerhalb weniger Tage scheint die Pracht hoffnungslos zerstört zu sein. Aber lange bleiben die Enten nicht, meist machen sie nur Zwischenstation und bald ist das Gleichgewicht natürlich wieder hergestellt.
Weniger Hoffnung gibt es, wenn Katzen aus der Nachbarschaft entdecken, dass sich an der Gartenmauer Eidechsen angesiedelt haben. Ihre Freude an den friedlichen Minisauriern, die sich flach sonnen oder Insekten jagen, wird nur kurz sein. Denn der Jagdtrieb der Katzen ist nicht zu stoppen. Mit unendlicher Geduld lauern sie den Eidechsen auf. Mitunter erbeuten sie zwar nur den Schwanz, aber meist das ganze Tier. Wird es nicht gleich gefressen, bringen die Katzen diese schwerverletzte Beute nach Hause. Dort leidet nun auch der Katzenbesitzer als Tierfreund zwangsläufig Gewissensqualen, die Eidechsenpopulation im Garten stirbt jedoch aus.