Slowenien schafft es nicht allein - EU-Hilfe unvermeidbar
Der gebürtiger Slowene Egon Zakrajsek im APA-Interview: Ljubljana hat „Rubikon bereits überschritten“. Die Zahlungsunfähigkeit sei eine „Frage von Monaten“.
Washington/Wien - In der US-Notenbank Fed glaubt man nicht mehr daran, dass Slowenien seine Finanzprobleme aus eigener Kraft in den Griff bekommen kann. „Es ist klar, dass wir den Rubikon bereits überschritten haben“, sagte der Fed-Spitzenökonom und gebürtige Slowene Egon Zakrajsek am Montagabend in einem APA-Interview. Wegen der hohen Anleihezinsen habe Slowenien derzeit nämlich keinen Zutritt zum Finanzmarkt. Daher sei es nur noch „eine Frage von Monaten“ bis zur Zahlungsunfähigkeit, sagte der Vizechef der Geldpolitik-Abteilung bei der US-Notenbank. „Die Chance, dass Slowenien es ohne internationale Hilfe schafft, ist praktisch null“, sagte Zakrajsek. Derzeit gehe es nur noch um die Frage, ob Slowenien noch vor dem Hilfsantrag mit den Reformen beginne, sich damit Glaubwürdigkeit bei EU und IWF erarbeite und zumindest das Tempo des Reformprozesses steuern könne oder es sich wie Griechenland dem Spardiktat eines „Insolvenzverwalters“ beugen müsse. „Es gibt noch eine Wahl, aber nicht mehr lange.“
Allgemein sieht Zakrajsek die Zukunft der Eurozone eher düster. So bereiteten sich die Finanzmärkte bereits auf einen Euro-Ausstieg Griechenlands vor, weil die bisherigen Rettungspakete keine Lösung gebracht hätten. Die große Frage sei aber, wie man die Schockwellen nach einem Austritt eindämmen könne. „Wenn Griechenland geht, wird es einen enormen Druck auf die anderen schwachen Staaten wie Spanien, Italien, Zypern oder Slowenien geben.“ Gelinge es nicht, die Ausbreitung der Krise einzudämmen, „wird das auch katastrophale Folgen für die stärkeren Euro-Staaten um Deutschland und Frankreich haben“. Slowenien sei dem Konkurrenzdruck in der Eurozone schon jetzt nicht mehr gewachsen, und würde bei einem Zerfall der Währungsunion wohl den südlichen EU-Staaten Gesellschaft leisten, erwartet der Wirtschaftsexperte.
Mit kurzfristigen Schatzwechseln über Wasser halten
Zur Lage der slowenischen Staatsfinanzen sagte Zakrajsek, dass sich das Land derzeit nur mit kurzfristigen Schatzwechseln über Wasser halte. „Das kann es noch einige Zeit so fortführen, aber die Laufzeiten werden immer kürzer, bis es eines Tages kein Geld mehr bekommt.“ Anleihen mit längeren Laufzeiten werde Slowenien schon seit längerer Zeit nicht los. „Slowenien befindet sich aus finanzieller Sicht an einem Knackpunkt, es ist nur schwer zu sagen, ob es im Oktober oder November so weit sein wird.“
Wenig Erfolgsaussichten gibt Zakrajsek dem Plan des slowenischen Finanzministers Janez Sustersic, durch die Ausgabe einer Dollar-Anleihe im Herbst günstiger an Geld zu kommen. „Ich glaube nicht, dass ein besserer Zinssatz zu erzielen ist (als bei einer Euro-Anleihe)“, betonte der Fed-Ökonom. Dazu kommt das Wechselkursrisiko bei einer Dollar-Anleihe. Sustersic hatte am Sonntagabend angekündigt, im Herbst eine zehnjährige Anleihe im Volumen von 1,5 bis 2 Mrd. Dollar (1,194 bis 1,59 Mrd. Euro) ausgeben zu wollen. Laut Ministerpräsident Janez Jansa droht Slowenien die Zahlungsunfähigkeit, sollte diese Emission misslingen. Experten beziffern den Kapitalbedarf Sloweniens mit 3,5 Mrd. Euro bis Ende 2013.
Nicht nachvollziehen kann Zakrajsek die Fixierung der slowenischen Regierung auf den Beschluss der auf EU-Ebene vereinbarten Schuldenbremse im Verfassungsrang. „Selbst wenn wir statt der goldenen eine diamantene Schuldenregel haben, ändert das nichts an der Wirtschaftsentwicklung der vergangenen 20 Jahre, die das Land in den Abgrund geführt hat“, betonte der Experte. Slowenien habe in vielerlei Hinsicht ähnliche Probleme wie die anderen Euro-Krisenländer: Eine geplatzte Immobilienblase, eine nicht-konkurrenzfähige Wirtschaft mit hohem Staatsanteil, einen starren Arbeitsmarkt, negative demografische Trends sowie eine polarisierte Politik.
Politiker wollen Einfluss auf Banken nicht verlieren
Oberste Priorität sollte für die slowenische Regierung die Sanierung des Bankensektors haben. „Hier geht uns die Zeit aus.“ Der Staat müsse sich vollständig aus den Banken zurückziehen, weil gerade politische Kreditvergaben von staatlichen Banken das Land in die jetzige „kritische Situation“ geführt hätten. Er glaube aber nicht daran, dass dies geschehen werde, weil die Politiker ihren Einfluss auf die Banken nicht verlieren wollen. Dringend sei auch eine Reform des starren Arbeitsmarkts, der „die Achillesferse der slowenischen Wirtschaft“ sei.
Kein Kommentar war Zakrajsek zu Spekulationen zu entlocken, er könnte als Chef einer Expertenregierung nach Slowenien wechseln. Grundsätzlich sei er der Meinung, dass eine technische Regierung gerade für eine junge Demokratie wie Slowenien „ziemlich tragisch“ wäre. Eine solche Regierung sei nämlich „ein Schlag für den demokratischen Prozess“. Daher trete er dafür ein, dass die Probleme „von den gewählten Politikern angegangen werden“.
Das Gespräch führte Stefan Vospernik, APA