Stadt der kurzen Wege als Utopie

„Wie lebt man in Zukunft?“ war die Frage, die bei den heurigen Alpbacher Baukultur-Gesprächen gestellt wurde. Eine der wenigen Antworten: Der Trend zur Reurbanisierung ist weltweit unübersehbar.

Von Edith Schlocker

Alpbach –Mehr als die Hälfte aller Menschen weltweit lebt in Städten, so viele wie noch nie und mit kontinuierlich steigender Tendenz. In Städten wird Arbeit vermutet, was die Landflucht zu einem globalen Problem macht. Denn Städte verbrauchen nur drei Prozent der Fläche der Welt, aber 80 Prozent der Ressourcen.

Patentrezepte für die Entwicklung des Urbanen – von der 20.000-Einwohner-Kleinstadt bis zur Megacity – gibt es allerdings nicht, darin waren sich sämtliche in Alpbach am Podium sitzenden Diskutanten einig. Auch, dass gated communities keine Lösung sein können, sondern städtische Integrationsstrategien entwickelt werden müssen. Eine gemischte Besiedlung von Häusern, möglichst eine Kombination von Lebens- und Arbeitsräumen.

Ist doch etwa für den dänischen Architekten Bo Grönlund die Utopie der modernen Stadt längst obsolet geworden. Er spricht am Reißbrett entwickelten Vorstädten, wo man auf 100 Metern vielleicht drei Menschen begegnet, jegliches urbane Flair ab. Um für eine „Kopenhagenisierung“ zu plädieren, wo die Hälfte aller Menschen mit dem Fahrrad unterwegs sind, es funktionierende Verbleibezonen für sämtliche Altersstufen gibt.

Ein „Zurückfinden zum kleinen Maßstab“ fordert auch der Wiener Verkehrsplaner Hermann Knoflacher. Er würde die für ihn menschenfeindlichen Autos ganz aus den Städten verbannen, ersetzt durch eine „kluge Mobilität“. Und so fordert er ein Überdenken der für ihn unnötig Geld und Ressourcen fressenden Stellplatzverordnung, eine „Stadt der kurzen Wege“, ein Eingehen auf den jeweiligen Genius Loci, auf die Stadtbewohner.

Als „baukulturelles Experimentierfeld“ stellte der Wiener Wohnbauforscher Wolfgang Förster die am Rand von Wien entstehende Seestadt Aspern vor. Eine aus der grünen Wiese gestampfte Kleinstadt mit 20.000 Einwohnern, angebunden an das öffentliche Verkehrsnetz. Um größt- mögliche soziale Nachhaltigkeit zu erzielen, sollen flexibel geförderte Sozialwohnungen genauso wie kreative Baugruppen und frei finanzierte Eigentumswohnungen entstehen. Was es in Aspern nicht geben wird, ist ein großes Einkaufszentrum. Vermieden werden auch geschlossene Erdgeschoßzonen. Stattdessen sollen sich klein strukturierte Handels- und Gewerbebetriebe etablieren.

Förster plädiert auch für ein Nachdenken darüber, wo man im sozialen Wohnbau sparen kann. Könnten sich doch 30 Prozent aller wohnungssuchenden Wiener heute eine neu gebaute geförderte Wohnung nicht mehr leisten. Um zu fragen, ob das Schwimmbad am Dach wirklich notwendig ist.

Dass es in unseren wachsenden Städten ohne eine Zunahme von Dichte nicht geht, liegt auf der Hand. Was nicht notwendigerweise mit einer Einbuße an Lebensqualität einhergehen muss. Die Frage ist nur, wie wir mit Dichte umgehen. Vorzeigebeispiel ist hier wiederum Amsterdam mit seinen schmalen, hohen Häusern dem Synonym für Dichte. Was hier funktioniert, ist der humane Maßstab, das Dazwischen, das Nichtgebaute mit seinen vielfältigen Möglichkeiten, das für den Architekten Rob van Gool das Urbane erst so verführerisch macht.