Innehalten hinterm Spinnwebenpapier
Der deutsche Fotokünstler Sascha Weidner huldigt im Fo.ku.s der Melancholie des Moments und öffnet sein Familienalbum.
Von Ivona Jelcic
Innsbruck –Ein wenig erinnert das Bild von einem, der überm Wasser an einem Ast baumelt, an Bas Jan Aders inszenierte Stürze – in Grachten, von einem Hausdach, oder eben vom Baum in einen Bach. Aber im Gegensatz zu den konzeptuellen Filmarbeiten des 1975 auf mysteriöse Art verschollenen, niederländischen Künstlers kommt es hier nicht zum freien Fall: Alles bleibt im Moment gefangen und in der Schwebe, auch die Frage nach dem Verhältnis zwischen Zufall und Inszenierung, Pose und Natürlichkeit, Leichtigkeit und Schwermut. Den Berliner Fotokünstler Sascha Weidner, Jahrgang 1976, interessiert weniger das Konzeptuelle als vielmehr die „Schönheit des perfekten Augenblicks“, die er präzise komponiert, gleichzeitig aber oft wie Schnappschüsse aussehen lässt. Durch das Flugzeugfenster einfallendes Licht illuminiert einen leeren Plastikbecher, unter zerwühlten weißen Laken zeichnet sich eine Gestalt ab, in einer Glasmurmel spiegelt sich das Bild der großen weiten Welt: Weidner ordnet seine subjektiven Blicke auf Umwelt und Alltag zu assoziativen Bildgeschichten an, auch in der aktuellen Schau „Just let go“ im Innsbrucker Fo.ku.s.
Hinter Spinnwebenpapier, wie man es aus alten Fotoalben kennt, gewährt er dort auch Einblicke in sein ganz persönliches Familienalbum, das zur unmittelbaren Auseinandersetzung mit dem Tod der Eltern wird. Wo sich ein vermeintlicher Sternenhimmel bei näherer Betrachtung und unter Zuhilfenahme des Titels „Cancer“ als Fotografie der Medikamente seiner an Krebs erkrankten Mutter entpuppt, spielt Weidner mit dem Unwägbaren, wo ein Flugzeug in den Himmel steigt, auch mit Sehnsuchtsbildern, gerne auch mit Hinweis auf die Malerei eines Caspar David Friedrich, auf den er sich mit seiner eigenen „romantischen Grundmelancholie“ und Sehnsucht nach Arkadien“ gerne zurückbesinnt ini einer „Zeit der Hektik und Zerstörung“.