Ohne Mathe bricht das Chaos aus
Im Alltag verstecken sich Zahlen, einfache Formeln und komplizierte Algorithmen hinter unzähligen praktischen Anwendungen. Die Mathematik regelt den Alltag, ohne sie wären wir aufgeschmissen.
Von Matthias Christler
Innsbruck –So logisch kann eine Formel sein: Alltag minus Mathematik ist gleich das pure Chaos. Die Wissenschaft der Zahlen, Gleichungen und der Logik hat einen schlechten Ruf, dabei hilft sie jedem von uns, und das von früh bis spät. Was aber wäre los, wenn die Mathematik sich einfach mal einen Tag lang eine Auszeit nimmt?
Das Chaos beginnt beim Aufstehen. Wie viel ergibt die Summe von 15 Minuten Bad, 10 Minuten Kleiderschrank und 10 Minuten Frühstücken gleich noch einmal? So eine einfache Rechnung entscheidet darüber, auf welche Uhrzeit der Wecker gestellt wird. Der Innsbrucker Mathematiker Norbert Netzer vertritt den Standpunkt, dass im Alltag nicht jeder alles können muss: „Meistens reichen die Grundrechnungsarten und ein wenig Hausverstand“, sagt er. 95 Prozent der im Alltag anfallenden Multiplikationen lassen sich im Kopf rechnen. Komplexe Aufgaben erledigen andere, oder an diesem Mathe-freien Tag eben nicht. Wo bleibt heute nur der Bus? „Die Fahrplanerstellung der öffentlichen Verkehrsmittel sind logistische Systeme – und die basieren auf Mathematik.“ Auch die Ampelsteuerung ist ein System, das nur mit Zahlen und Formeln funktioniert. Eine falsche Berechnung genügt und alle Ampeln schalten zur gleichen Zeit auf Grün. Ja dann, gute Fahrt.
Aber wieso graben die Straßenarbeiter eigentlich dieselbe Stelle schon wieder auf? Eine Frage, die sich in Innsbruck derzeit das eine oder andere Mal aufdrängt. „Die Organisation von Baustellen hat mit Kostenberechnungen zu tun und dann kann zweimal aufgraben billiger kommen. Eine Problemstellung kann viele Lösungswege haben. Die Mathematik hilft dabei, den schnellsten oder eben billigsten Weg zu finden“, sagt Netzer.
Abgesehen davon, dass jedes Computersystem nur dank Zahlen, Rechnungen und Lösungen betrieben wird, steckt beim Telefonieren mit einem Handy noch viel mehr dahinter. Ohne die Wissenschaft der Verschlüsselung, die auf der Zahlentheorie aufbaut, würde ein Anruf nie dort ankommen, wo er ankommen sollte.
Obwohl die Mathematik eine der ältesten Wissenschaften überhaupt ist, lässt sich immer noch Neues entdecken. Ein Schweizer Forscher hat einen Algorithmus entwickelt, der von Informationen in einem Netzwerk die Quelle findet. Ein Anwendungsbeispiel: Wer auf Facebook mit einem bösen Gerücht gemobbt wird, kann so sehen, von wem es ausgegangen ist. Ohne Mathe bleibt der Verursacher unentdeckt. Auch die Medizin, natürlich die Wirtschaft oder Wahlprognosen kommen nicht ohne aus. „Man sieht es nicht immer sofort, aber wir arbeiten vielen anderen Wissenschaften zu“, sagt Netzer.
Und wenn der Tag langsam zu Ende geht, will man natürlich wissen, was morgen passiert. Aber was wäre denn, wenn die Meteorlogen ohne Mathe das Wetter bestimmen? „Sie könnten zwar sagen, wie das Wetter wird. Aber weil ihnen die entsprechenden, neuen und schnellen Rechenmodelle fehlen, bekommen sie das richtige Ergebnis erst eine Woche, nachdem es schon aufgetreten ist“, rechnet Netzer vor. Und das macht wenig Sinn. Im Gegensatz zur Mathematik.