Sorge wegen Extremisten in Israel
Am rechten Rand der israelischen Gesellschaft wächst die Gewaltbereitschaft. Zum Kontext zählt auch der ungelöste Nahostkonflikt.
Von Floo Weißmann
Jerusalem –In Israel ist nach dem versuchten Lynchmord an einem Palästinenser eine Debatte über jüdischen Extremismus ausgebrochen. Der Vorfall „spiegelt einen sehr gefährlichen Prozess in der israelischen Gesellschaft wider“, sagte der israelische Politologe Eyal Zisser der TT. „Zumindest einige Elemente innerhalb dieser Gesellschaft werden gewalttätig.“ Es gebe eine antiarabische Stimmung sowie null Toleranz gegenüber anderen Ideen.
Dutzende Jugendliche hatten vor einem knappen Monat nachts in Jerusalem Jagd auf Palästinenser gemacht. Sie brüllten dabei „Tod den Arabern!“ und „Araber sind Hurensöhne!“. Ein 17-Jähriger konnte ihnen nicht entkommen und wurde beinahe zu Tode geprügelt. Die Behörden nahmen acht Verdächtige im Alter zwischen 13 und 19 Jahren fest. Einer von ihnen sagte bei seiner Anhörung vor Gericht: „Wenn‘s nach mir ginge, soll er doch sterben! Er ist nur ein Araber.“
So schockierend der Anlassfall für die Debatte, so wenig steht er für sich alleine. Zisser zufolge gab es auch Übergriffe gegen illegale Einwanderer aus Afrika, gegen politisch Linke und gegen israelische Soldaten sowie verbale Attacken gegen das Höchstgericht. In Zukunft „wird es noch schlimmer“, erwartet er.
„Der Staat Israel toleriert weder Rassismus noch Gewalt“, erklärte Premier Benjamin Netanjahu rasch. Andere führende Persönlichkeiten außerten sich ähnlich. Zisser meint jedoch, dass dies nicht genügt. Die Gewaltbereitschaft wachse und es gebe eine gewisse Akzeptanz in der öffentlichen Meinung. „Dieses Problem sollte angesprochen werden.“
Die frühere Polizei-Expertin für Jugendgewalt, Suzy Ben-Baruch, mahnte im Gespräch mit der dpa, dass der ungelöste Nahostkonflikt das Problem verschlimmert. „Es sind oft Jugendliche, die aus ihren sehr religiösen Familien ausgebrochen sind und dann auf der Straße nach einer neuen Identität und Anerkennung suchen.“ Handle es sich bei den Gegnern um Araber, dann verstärke das die Aggression.
Zunehmende Gewalt zeigt sich aber nicht allein bei rechtsgerichteten Jugendlichen in Israel, sondern auch bei jüdischen Siedlern in den Palästinensergebieten. Immer häufiger greifen Siedler Palästinenser an oder zerstören deren Eigentum. Nach Angaben des Roten Kreuzes sind in den vergangenen drei Jahren 10.000 Olivenbäume palästinensischer Bauern gefällt oder verbrannt worden. Die Hilfsorganisation fordert besseren Schutz für Palästinenser. Ähnlich äußerte sich das EU-Parlament im Juli, das den „Extremismus“ bei jüdischen Siedlern verurteilte und von Is-rael Konsequenzen verlangte.
Die Regierung von Premier Netanjahu steht zugleich in der internationalen Kritik, weil sie im Widerspruch zum Völkerrecht den Siedlungsbau vorantreibt und damit nach Meinung der Kritiker den Nahostkonflikt weiter verschärft.