Natur

Drogenopferzahl weiter hoch

Nach dem Rekordjahr 2011 (30 Drogentote) hat sich die Situation in Tirol etwas beruhigt. Mit bisher 15 Opfern liegt aber auch das heurige Jahr über dem Durchschnitt.

Von Thomas Hörmann

Innsbruck –15 Tiroler starben in den ersten acht Monaten 2012 nach dem Konsum illegaler Suchtmittel. Hochgerechnet auf zwölf Monate wären das 21 Tote.

Eine vorläufige Opferbilanz, die beinahe schon erfreulich ist. Zumindest im Vergleich zum Vorjahr – damals verloren 30 Menschen (laut Zählung des Landeskriminalamtes) durch Heroin und Co. ihr Leben. Ein trauriger Rekord, noch nie starben in Tirol innerhalb von zwölf Monaten mehr Menschen an den Folgen ihrer Sucht.

Die aktuellen Zahlen im Detail: „Sieben Opfer, alles Männer, stammen aus der Stadt Innsbruck. In den übrigen Bezirken haben wir heuer acht weitere Suchtmittel-Tote, darunter auch zwei Frauen“, sagt Walter Pupp, Chef des Landeskriminalamtes.

Zum Vergleich: Im Vorjahr starben zwölf Innsbrucker und sechs Menschen aus dem Bezirk Innsbruck-Land, zwölf Drogenopfer stammten aus den übrigen Bezirken.

Für die jüngsten Schwankungen bei der Anzahl der Drogenopfer gibt‘s keine schlüssige Erklärung – weder für das Rekordjahr 2011 noch für den heurigen Rückgang. „Diese Auf und Abs gibt‘s immer wieder“, sagt der Innsbrucker Psychologe und Suchtberater Salvatore Giacomuzzi: „Fest steht, dass die Zahl der Suchtmittelopfer im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung in Tirol generell relativ hoch ist.“

Giacomuzzi ortet allerdings Veränderungen in der Szene: „Die heutigen Konsumenten sind mit jenen von früheren Jahren nicht mehr vergleichbar“, so der Experte: „In den 70er Jahren gab es so etwas wie politische Junkies, heute haben wir es mit einer schnellen und unkritischen Szene zu tun.“ Mit Konsumenten also, die oft gar nicht wissen, was sie eigentlich schlucken, rauchen oder spritzen.

„In dem Zusammenhang spielt ebenfalls eine Rolle, dass die Drogen mittlerweile auch übers Internet vertrieben und gekauft werden“, erklärt der Suchtberater. Was dann tatsächlich geliefert wird, ist eine Frage des Glaubens, nicht des Wissens.

Im Gegensatz zu früher konsumieren die Abhängigen inzwischen alle möglichen legalen und illegalen Substanzen. Eine Entwicklung, die sich auch an den Obduktionsergebnissen ablesen lässt: Der „goldene Schuss“ (Überdosis Heroin) war gestern, mittlerweile stellen die Gerichtsmediziner häufig eine bunte Mischung aus Alkohol, Medikamenten und klassischen Drogen als Todesursache fest. Mischintoxikation nennen das die Experten.

Die einzige Konstante in diesem tödlichen Spiel: „Opioide (Opium-ähnliche Substanzen) sind eigentlich immer dabei“, sagt Giacomuzzi.

Auffällig: Bei den Tiroler Todesopfern handelte es sich fast immer um Menschen, die an keinem der öffentlichen Suchtbehandlungsprogramme teilnahmen. „Wobei das Behandlungsniveau in Tirol eigentlich sehr hoch ist“, sagt Giacomuzzi. Ähnlich sieht das Yvonne Riemer, Leiterin der Innsbrucker Drogenambulanz an der Klinik: „Unter unseren Patienten haben wir eigentlich kaum Todesfälle.“ Warum die Anzahl der Drogenopfer derzeit relativ hoch ist, bleibt offen.

Im Gegensatz zum bisherigen Rekordjahr 1993 (28 Tote). Damals war bald klar, was die Opferbilanz in die Höhe trieb – russisches Heroin. Das Suchtgift aus dem Osten war nicht nur billig, sondern auch ungewöhnlich „gut“. Die Tiroler Konsumenten, die bisher nur minderwertigen „Stoff“ mit einem durchschnittlichen Heroinanteil von etwa 20 Prozent kannten, wurden von den Dealern plötzlich mit 70-prozentigem Heroin versorgt. Ein sprunghafter Anstieg tödlicher Überdosierungen war die Folge.

Als sich die Abhängigen an den Umgang mit dem russischen Suchtgift gewöhnten, beruhigte sich die Situation wieder, die Anzahl der Todesopfer ging schon im folgenden Jahr signifikant zurück. Die bisher wenigsten Opfer waren 2004 in Tirol zu beklagen: elf Tote.