Demokraten-Parteitag

Eloquent und gebildet: Michelle ist Obamas beste Wahlkämpferin

Die scheinbar grenzenlose Begeisterung aus dem ersten Wahlkampf ist verflogen. US-Präsident Obama muss auf dem Parteitag alles geben, um seine Anhänger mitzureißen. Ihm soll eine Frau helfen, die weit populärer ist als der Präsident selbst.

Charlotte - Zwei Monate vor der US-Präsidentenwahl wollen die Demokraten mit einer glanzvollen Parteitags-Show die Weichen für eine Wiederwahl von Amtsinhaber Barack Obama stellen. Zum Auftakt der politischen Großveranstaltung in Charlotte im North Carolina) steht am Dienstagabend (Mittwoch 4 Uhr früh MEZ) die Rede der First Lady Michelle Obama auf dem Programm. Das Wahlkampfteam hofft, mit dem Auftritt der populären Präsidenten-Gattin entscheidende Sympathiepunkte zu sammeln. Bei der Convention sollen auch Ex-Präsidenten, Minderheiten-Vertreter und Stars für Obama werben. Der Schlagabtausch zwischen dem Amtsinhaber und Herausforderer Mitt Romney wird dabei immer härter.

Michelle Obama ist beliebter als ihr Mann

Bei dem Parteitag der Republikaner in der vergangenen Woche hatte Romneys Ehefrau Ann auf der emotionalen Ebene vorgelegt. In einer stimmungsvollen Rede warb sie für ihn als einen „Mann, den Amerika braucht“. Sie stellte ihren 65 Jahre alten Gatten als treu sorgenden Familienvater dar. Während Ann Romney bis zu ihrem Auftritt weitgehend unbekannt war, gilt Michelle Obama als ausgesprochen beliebt. Hätte US-Präsident Barack Obama Umfragewerte wie seine Frau, bräuchte er sich um seine Wiederwahl nicht zu sorgen. Die First Lady ist beim Volk beliebter als ihr Mann, auch Republikaner haben Achtung vor ihrer Intelligenz und Fachkenntnis.

Gebildet, eloquent, leidenschaftlich und selbstbewusst: Wann und wo immer die 48-jährige Michelle Obama auftritt, zieht sie die Massen an. Das war schon vor vier Jahren so, als sie für ihren Mann Barack trommelte. Auch dieses Mal erweist sich die Juristin wieder als die beste Wahlkämpferin des Demokraten. Aus Schnitzern, die sie 2008 anfangs machte, hat sie längst gelernt. Ihre Berater sagen, dass sie sich extrem intensiv auf ihre Reden vorbereite und sich hüte, vom Skript abzuweichen - ein Zeichen eiserner Disziplin, die der 1,80 Meter großen durchtrainierten Frau auch beim Fitnesstraining täglich frühmorgens zu eigen ist.

Strebsamkeit und Wille zum Erfolg

Der unbedingte Wille zum Erfolg prägte sie schon in jungen Jahren. Die am 17. Januar 1964 geborene Michelle wuchs in einfachen Verhältnissen in der South Side Chicagos auf, dem armen Schwarzenviertel. Ihr Vater war Schlosser bei den Wasserwerken, die Mutter Sekretärin. Mit klugem Kopf und Strebsamkeit schaffte Michelle den Sprung an die Eliteuniversitäten Princeton sowie Harvard und erwarb sich einen Doktortitel in Jura.

Nach dem Studium trat sie zunächst in ein renommiertes Anwaltsbüro ein, wo sie auch ihren späteren Mann kennenlernte: Er wurde ihr als Praktikant zugewiesen. 1992 heiratete das Paar. Von der Anwaltskanzlei wechselte Michelle später in die Sozialarbeit und war vor dem Wahlsieg ihres Mannes 2008 zuletzt eine Vizepräsidentin am Universitätsklinikum von Chicago. 1998 und 2001 wurden die Töchter Malia und Sasha geboren.

Im diesjährigen Wahlkampf versucht Michelle Obama vor allem, die persönlichen Seiten des Präsidenten zu zeigen.

Eröffnungsrede von Julian Castro mit Spannung erwartet

In den Mittelpunkt des Parteitags rückt am Dienstag auch der 37 Jahre alte Bürgermeister der texanischen Stadt San Antonio, Julian Castro. Die Zukunftshoffnung der Partei wurde mit der Eröffnungsrede betraut. Castro ist der erste Demokrat lateinamerikanischer Herkunft in dieser Funktion. US-Fernsehsender und Zeitungen bezeichneten ihn am Dienstag bereits als einen der möglichen Nachfolger Obamas im Weißen Haus. Castro spricht wegen seiner Herkunft eine wichtige Klientel der Demokraten an. Bei der Wahl 2008 hatte Obama zwei Drittel der hispanischen Wählerstimmen erhalten.

Fast 6000 Delegierte sollen Obama am Mittwoch formell als ihren Kandidaten für die Wahl am 6. November aufstellen. Der ehemalige, in der Bevölkerung bis heute sehr beliebte US-Präsident Bill Clinton (1993 - 2001) wird die offizielle Nominierungsrede halten. Obamas mit Spannung erwartete Antrittrede ist zum Abschluss des Parteitags für Donnerstag geplant. Er wird nach eigener Aussage erklären, wie er die Wirtschaft ankurbeln, Arbeitsplätze schaffen und Mittelschicht stärken will.

Neuerliche Angriffe auf Romney

Vor dem Auftritt in Charlotte nutzte der Amtsinhaber seine Wahlkampftour für neuerliche Angriffe auf Romney. Dessen Plan für die Wirtschaftserholung werde nicht funktionieren, rief Obama am Montag Anhängern in Ohio zu. Paul Ryan, Romneys Kandidat für den Vizepräsidenten, warf Obama vor, das Land in den vergangenen vier Jahren nicht voran gebracht zu haben. „Er kann Euch nicht erzählen, dass es Euch bessergeht“, sagte Ryan bei einem Auftritt in North Carolina. Vizepräsident Joe Biden konterte, dass Obama die Autoindustrie gerettet und den Terrorchef Osama bin Laden getötet hat. „Amerika geht es heute besser“, sagte er. (APA/dpa)