Sieg von Separatisten in Quebec von Attentat überschattet
Während der Siegesrede der Vorsitzenden der Parti Quebecois (PQ), Pauline Marois, eröffnete ein Mann das Feuer und tötete einen Menschen.
Montreal – Der Sieg der Unabhängigkeitsbefürworter bei der Parlamentswahl in der kanadischen Provinz Quebec ist von einem Attentat überschattet worden. Wie die Polizei in der Nacht zum Mittwoch mitteilte, eröffnete ein Mann während der Siegesrede der Vorsitzenden der Parti Quebecois (PQ), Pauline Marois, in Montreal das Feuer und tötete einen Menschen. Ein weiterer Mensch wurde schwer verletzt, Marois blieb unverletzt.
Der Schütze konnte kurz nach dem Vorfall in einem Konzertsaal von der Polizei festgenommen werden. Mehrere Waffen wurden beschlagnahmt. Den Beamten zufolge versuchte er außerdem, den Saal in Brand zu setzen. Laut Kameraaufzeichnungen rief der rund 50-jährige Mann auf Französisch mit englischem Akzent bei seiner Festnahme: „Die Engländer wachen auf.“ Offenbar stand das Attentat in Verbindung mit Ängsten der englischsprachigen Minderheit der Provinz, dass sich diese von Kanada lossagen könnte. Ob seine Tat allerdings tatsächlich politisch motiviert war, blieb zunächst unklar.
Die linksgerichtete PQ setzt sich für eine Unabhängigkeit der Provinz vom übrigen, englisch sprechenden Kanada ein. Marois, die voraussichtlich die erste Premierministerin in der Geschichte der vorwiegend französischsprachige Provinz wird, hatte kurz vor Beginn der Schießerei in ihrer Rede betont, dass die Zukunft Québecs die eines „souveränen Landes“ sei. Sie rief außerdem alle Seiten zur Zusammenarbeit auf. Die Politikerin blieb bei dem Attentat unverletzt. Ihre Leibwächter holten sie rasch vom Podium herunter. Später kehrte die 63-Jährige auf das Podium zurück, um ihre Anhänger zu beruhigen und ihre Rede fortzusetzen.
Die tödlichen Schüsse erschüttern das für seine vergleichsweise niedrige Kriminalitätsrate bekannte Kanada, in dem der letzte politisch motivierte Mord mehr als 40 Jahre zurückliegt.
Linksgerichtete PQ knapp vor den Liberalen
Bei der Parlamentswahl zeichnete sich allen Hochrechnungen zufolge ein Wahlsieg der linksgerichteten PQ ab, die knapp vor den Liberalen von Amtsinhaber Jean Charest landen dürfte. Demnach ist die PQ mit 54 Sitzen zur stärksten Kraft aufgestiegen, verpasste aber die absolute Mehrheit im Parlament in der Hauptstadt Quebec um neun Mandate. Marois will eine Minderheitsregierung bilden. Auf Platz zwei kamen nach Angaben der Wahlkommission die bisher regierenden Liberalen mit 50 Sitzen. An dritter Stelle folgte mit 19 Sitzen die konservative Koalition für Quebecs Zukunft. Nach neun Jahren kehren die Befürworter einer Unabhängigkeit der Provinz damit wieder an die Macht zurück, wenngleich möglicherweise als Minderheitsregierung.
Marois, die schon mehrere Ministerposten innehatte, muss als Premierministerin möglicherweise ein neues Referendum über die Unabhängigkeit der Provinz von Kanada in die Wege leiten. Hatte sie doch den radikalen Unabhängigkeitsbefürwortern in ihrer Partei versprochen, eine Volksbefragung zu starten, wenn 15 Prozent der Wahlberechtigten eine solche Forderung unterschreiben. Das Referendum wäre allerdings eine Art Selbstmordkommando für die 63-Jährige, befürwortet doch nur gut ein Drittel der „Quebecois“ einen eigenen Staat. Zwei Unabhängigkeitsreferenden1980 und 1995 scheiterten bereits.
Persönliche Niederlage für Amtsinhaber Charest
Für Amtsinhaber Charest geriet die Wahl zu einer persönlichen Niederlage: In seinem Wahlkreis Sherbrooke unterlag der 54-Jährige seinem Herausforderer von der PQ, Serge Cardin, nach Auszählung fast aller Stimmzettel mit 34,7 Prozent zu 42,41 Prozent der Stimmen. Charest kann zwar auf ein hohes Wirtschaftswachstum und eine vergleichsweise niedrige Arbeitslosenzahl verweisen, hat sich aber besonders bei Studierenden mit seinen Plänen zur Erhöhung der Studiengebühren unbeliebt gemacht.
Der kanadische Regierungschef Stephen Harper gratulierte Marois zu ihrem Wahlsieg, ließ aber Kritik an den separatistischen Bestrebungen der Partei erkennen. „Wir glauben nicht, dass die Menschen in Quebec die alten Verfassungsstreitereien wieder eröffnen wollen“, erklärte er in Ottawa. (APA/AFP/dpa/Reuters)