Geocacher

Schatzjäger mit GPS und Gespür

Im Alpenpark Karwendel finden Geocacher die Schätze der Natur. Sie treten damit einer Diskussion entgegen, wonach die GPS-Schnitzeljagd der Natur nur schade.

Von Matthias Christler

Hinterriß –Und jetzt? Wo bitte soll hier, bei dieser Kapelle im hintersten Winkel Tirols, ein geheimnisvoller Schatz versteckt sein? Das GPS zeigt mir die richtigen Koordinaten an, mit nur einem Problem: Wer sich zu sehr auf die Technik verlässt und nicht seiner Entdeckerleidenschaft hingibt, wird diesen Schatz niemals finden. Die GPS-Genauigkeit liegt nur bei zehn Metern. Die Kapelle in der Hinterriß, einer Enklave Tirols, die nur über Bayern erreichbar ist, bietet aber innerhalb von zehn Metern viele, sehr viele Winkel, um einen zwei Zentimeter langen Behälter zu verbergen. „Ein kleiner Tipp: Schau bei der Steinmauer nach“, ermutigt mich Hermann Sonntag, Geschäftsführer des Alpenparks Karwendel. Die Steinmauer hat geschätzte 5000 Steine und vier Mal so viele luftige Fugen, in denen überall etwas stecken könnte. Beim Geocaching liegt die Herausforderung eben darin, mit einem GPS-Gerät zuerst den Ort zu finden und sich dann auf sein eigenes Gespür zu verlassen.

Die moderne Schnitzeljagd entstand im Jahr 2000. Die US-Regierung hatte bis dahin das GPS-Signal durch ein Rauschen künstlich gestört, um die Genauigkeit auf 100 Meter zu beschränken. Durch die Abschaltung des Rauschens wurde die Genauigkeit für den privaten, nichtmilitärischen Nutzen auf 10 Meter erhöht wurde. Dave Ulmer hinterlegte als erster Geocacher einen kleinen Schatz. „Nimm etwas heraus, hinterlasse etwas“, heißt seine erste Regel. Im Internet werden die Koordinaten der Verstecke aufgelistet und manchmal mit Rätseln versehen. Weltweit gibt es 1,9 Millionen Caches, ca. 5000 in Tirol. Viele sind so angelegt, dass allein das Finden eine Bereicherung ist. Der Inhalt wird zurückgelegt, der Schatz bleibt für den nächsten dort.

Der Alpenpark Karwendel hat heuer erstmals einen so genannten Multicache mit sieben Stationen, die zu einem Ziel führen, für die Gäste entwickelt. Die Kapelle ist die vierte Station, bei der nicht nur der Cache gefunden werden muss, sondern ein Rätsel wartet. „Bei diese Kapelle befindet sich die Grabstätte einer Coburgerin, die mit Victoria, Königin von Großbritannien, verwandt war. Wie hieß sie?“, lautet eine der Fragen, deren Lösung zu den Koordinaten für die nächste Station führt.

Im Gegensatz zu anderen Schatzjägern muss man aber nicht zum Grabschänder werden, um dem Schatz einen Schritt näher zu kommen. Alles bleibt unberührt, der Wald, die Tiere, die Natur. In Bayern ist von Förstern eine Diskussion darüber losgetreten worden, ob Geocachen im Wald verboten werden soll, weil die Schatzsucher der Natur schaden würden. „Wir haben unsere Stationen ganz bewusst naturverträglich angelegt. Mit dem Multicache wollen wir ein technikaffines Publikum in die Natur bringen“, sagt Sonntag, der noch eine Regel – Waste out! – erklärt. „Findet man Müll, nimmt man ihn mit.“

Und fast so, als wäre es eine Prüfung, um zu beweisen, ob man des Geocachings würdig ist, entdecken wir bei der fünften Station neben dem Rißbach einen alten Flipflop liegen. Wir nehmen ihn mit. Der Dank folgt auf dem Fuße – oder knapp daneben. Nur einen Schritt weiter harrt ein Insekt auf einem Stein aus, kaum auszumachen, weil die Tarnung perfekt auf das Bachbett abgeglichen ist. „Wow, eine Schnarrschrecke“, staunt Sonntag. „Sie ist bei uns fast ausgestorben.“ Einen Moment später hebt die Schnarrschrecke ab, breitet ihre roten, für den natürlichen Feind bedrohlich wirkenden Flügel aus und hebt ab. Schon beeindruckend, zufällig ein Geschöpf zu entdecken, das es bald vielleicht nicht mehr gibt.

Die ungewöhnliche Schatzsuche geht weiter, Rätsel erwarten uns und ein Tier aus dem Karwendel wird uns hinführen, bis wir den Schatz und zugleich die Natur in Händen halten. Aber noch während der Suche drängt sich ein Verdacht auf: Die Entdeckung der Naturreichtümer ist doch Belohnung genug ...