US-Wahl 2012

Bill Clintons goldene Jahre sollen auf Barack Obama „abfärben“

Nach dem umjubelten Auftritt von Michelle Obama soll heute Ex-Präsident Bill Clinton Stimmung für Barack Obama machen – und daran erinnern, dass Wirtschaftskompetenz auch bei den Demokraten zuhause ist.

Von Gregor Waschinski

Charlotte – Kurz nach seiner Amtszeit verbanden die Menschen in den USA mit Präsident Bill Clinton vor allem seine Affäre mit Monica Lewinsky, einer Praktikantin halb so alt wie er. Mehr als ein Jahrzehnt nach seinem Ausscheiden aus dem Weißen Haus erinnern sie sich dagegen an eine Zeit boomender Konjunktur und ausgeglichener Haushalte, in der sich Amerika als unangefochtene Supermacht fühlen konnte.

Der Ex-Präsident ist so populär wie nie. Davon will auch Barack Obama profitieren – der 2008 Clintons Frau Hillary die sicher geglaubte Präsidentschaftskandidatur entrissen hatte.

Auf dem Parteitag der Demokraten in Charlotte wirft Bill Clinton sein Gewicht für den Präsidenten in die Waagschale. Seine Rede am Mittwochabend (Ortszeit) soll Obama in einem Bereich den Rücken stärken, in dem er sich besonders gegen Attacken seines Herausforderers Mitt Romney wehren muss: die schwächelnde Konjunktur und die hohe Arbeitslosigkeit.

Profitable Clinton-Jahre

Seit Tagen sendet Obamas Wahlkampfteam einen Fernsehspot, in dem Clinton als eine Art weiser alter Mann der Demokraten seinem Nachfolger bescheinigt, den besseren Plan für die Rückkehr zur Vollbeschäftigung zu haben. „Das geht nur, wenn wir eine starke Mittelschicht haben“, sagt der 66-Jährige in dem Spot. „Das ist passiert, als ich Präsident war.“ Es sei die republikanische Politik der Deregulierung und Steuersenkung für Reiche gewesen, die „uns überhaupt erst in Schwierigkeiten gebracht hat“.

Als Clinton 1993 ins Weiße Haus einzog, sahen sich die USA nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion als Sieger der Geschichte. Die Wirtschaft boomte, die Arbeitslosigkeit sank auf unter vier Prozent. Das Haushaltsdefizit schrumpfte, seinem Nachfolger George W. Bush hinterließ Clinton Anfang 2001 sogar einen Überschuss von mehr als 200 Milliarden Dollar.

Kontrast zur Bush-Ära

Die Ära Clinton steht im Kontrast zur Präsidentschaft Bush: Mit dem Platzen der Dot-Com-Blase hatte die Euphorie der späten 90er Jahre ein jähes Ende genommen. Die Anschläge vom 11. September 2001 rüttelten am Selbstverständnis als unverwundbare Supermacht, die USA zogen in verlustreiche Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan. Ausgehend von faulen US-Immobilienkrediten stürzten erst das Finanzsystem und dann die Wirtschaft in eine tiefe Krise.

Angesichts der schweren Zeiten verblasste jener Skandal, der Clinton mitten in seiner zweiten Amtszeit fast zu Fall gebracht hatte. Die Republikaner strengten damals ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn an, weil er über die Affäre mit Lewinsky unter Eid gelogen haben soll. Das Verfahren scheiterte im Senat, doch Clintons Image war stark beschädigt.

Beliebter Ex-Präsident

Laut einer Umfrage des Gallup-Instituts haben heute 66 Prozent der US-Bürger eine positive Meinung über Clinton – vor zehn Jahren lagen seine Popularitätswerte unter 50 Prozent. Seit vergangenem Herbst hat Clinton im Wahlkampf zunehmend an Präsenz gewonnen. Er machte sich in Interviews zum Sprachrohr für Obamas Politik, gemeinsam sammelten sie Spenden.

Dabei galt die Beziehung zwischen dem 42. und dem 44. Präsidenten der USA als zerrüttet, als Obama im Vorwahlkampf 2008 Clintons Frau Hillary die Nominierung streitig machte. Mit bösen Tiraden gegen Obama handelte sich der frühere Staatschef sogar den Verdacht ein, auf rassistische Vorbehalte unter weißen Wählern zu setzen.

Nach Obamas innerparteilichem Sieg schlossen sie einen Burgfrieden, auf dem Parteitag vor vier Jahren stellte sich Bill Clinton hinter den späteren Präsidenten. Hillary Clinton wurde Obamas Außenministerin.

Die enge Einbindung Clintons ist allerdings nicht ohne Risiko. Der Politik-Veteran hat bisweilen mit der beschleunigten Medienöffentlichkeit im digitalen Zeitalter zu kämpfen, in dem jedes schiefe Wort im Internet einen Sturm auslösen kann. Anfang Juni verschreckte Clinton das Wahlkampfteam Obamas, als er Romney in einem Interview für dessen erfolgreiche Business-Karriere lobte – und damit die Strategie untergrub, den Multimillionär als rücksichtslosen Geschäftsmann zu porträtieren. (AFP)