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Pfarrhaus-Abriss in Weer: Elf Gemeinderäte vor Kadi

Ungewöhnlicher Prozess in Innsbruck: Nach dem Abriss eines denkmalgeschützten Widums musste der gesamte Gemeinderat auf der Anklagebank Platz nehmen.

Von Thomas Hörmann

Innsbruck – „Nicht schuldig!“ Zumindest in diesem Punkt waren sich am Montag die elf Gemeinderäte und der Bürgermeister von Weer einig. Der Gemeindechef bestritt, einen Amtsmissbrauch begangen zu haben. Und die Gemeinderäte wollten ihn nicht zum Amtsmissbrauch angestiftet haben.

Der eigentliche Anlass für den Prozess am Innsbrucker Landesgericht liegt bereits fast neun Monate zurück: Am 15. Dezember 2012 machte ein Bagger das Widum von Weer dem Erdboden gleich. Das Problem: Das Gebäude stand unter Denkmalschutz.

Der Abriss des Gemäuers, das einem Kindergarten weichen musste, war keinesfalls ein Alleingang des Bürgermeisters. Ganz im Gegenteil – „wir waren alle dafür“, gaben die Gemeinderäte unumwunden zu.

Was allerdings am Abend des 14. Dezember – wenige Stunden bevor der Bagger die Schaufel hob – geschah, schilderten der Bürgermeister und die Gemeinderäte unterschiedlich.

„Ich ließ die Gemeinderäte abstimmen. Alle waren für den Abbruch. Wäre die Mehrheit dagegen gewesen, hätte ich das Widum nicht abreißen lassen“, so der Dorfchef im Zeugenstand.

Die Gemeinderäte widersprachen dem Dorfchef: „Der Bürgermeister teilte uns mit, dass er das Widum am nächsten Tag abreißen lasse“, schilderte ein Angeklagter.

Auch der Modus der Abstimmung war alles andere als üblich: Die Gemeinderäte signalisierten ihre Zustimmung nicht wie sonst durch ein Handzeichen, sondern sie segneten den Beschluss mit ihrer Unterschrift ab. Und zwar auf Wunsch des Bürgermeisters, „er ließ das Papier nach der Gemeinderatssitzung die Runde gehen“, so die Angeklagten im Gleichklang.

Dass es sich beim „Papier“ um einen Beschluss des Gemeinderates handelte, bestritten die Mandatare aus Weer entschieden. „Wir glaubten, dass der Bürgermeister die Unterschriften nur will, um politisch abgesichert zu sein. Damit im Nachhinein keiner sagen kann, er sei gegen den Abriss gewesen. Außerdem war die Gemeinderatssitzung bereits beendet, ein richtiger Beschluss kann nur während der Sitzung gefasst werden“, fühlten sich die Gemeinderäte vom Dorfchef hintergangen: „Er sagte, das Papier sei nicht für die Öffentlichkeit, er würde es in einer Schublade ablegen.“

„Ja, aber auf dem Schriftstück stand doch ,Beschluss des Gemeinderates‘. Haben Sie das nicht gelesen?“, wollte Richter Andreas Fleckl von den Angeklagten wissen.

Eine Frage, die so manchen Gemeindepolitiker ins Stottern brachte. Er habe das Papier nur ein bisserl überflogen, aber eigentlich nicht wirklich gelesen, meinte etwa der Vizebürgermeister.

Sowohl der Bürgermeister als auch die Gemeinderäte waren sich durchaus bewusst, dass der Abriss eines denkmalgeschützten Gebäudes zu Konsequenzen führen wird. Allerdings rechneten die Mandatare von Weer offenbar nicht unbedingt mit einer Anklage der Staatsanwaltschaft. „Wir wussten, dass wir mit einer Strafe zu rechnen haben. Wir dachten jedoch, dass es bei einer Verwaltungsstrafe für die Gemeinde bleiben würde“, erklärte der Gemeindechef.

Eine Gemeinderätin erkundigte sich sogar am Abend des 14. Dezember, ob die vom Bürgermeister eingeforderten Unterschriften Konsequenzen haben könnten. „Wenn jemandem etwas passiert, dann nur mir“, soll das Dorf­oberhaupt geantwortet haben. Ein Irrtum.

18 Monate versuchte der Bürgermeister, den Denkmalschutz aufheben zu lassen. Ohne Erfolg. Eine Integration des Widums in das Kindergartenprojekt hätte Mehrkosten von etwa 300.000 Euro verursacht.

Nicht einmal der Pfarrer soll gegen den Abriss des Gebäudes gewesen sein. „Wir haben ihn aber bewusst nicht informiert, um ihn nicht in die Sache mithineinzuziehen“, so der Bürgermeister am Landesgericht. Erst als der Bagger sein Werk bereits begonnen hatte, „habe ich dem Pfarrer kurz eine SMS geschrieben“.

Der Prozess wurde am Mittwochnachmittag vertagt. Richter Fleckl will ein Gutachten einholen, aus dem die Kosten für einen hypothetischen Wiederaufbau des Widums hervorgehen.

Nach der Höhe der Kosten wird sich im Falle einer Verurteilung auch die Wertersatzstrafe richten.