Die Liebe zur Musik des Feindes

Fernando Trueba und Javier Mariscal feiern mit „Chico & Rita“ den kubanischen Jazz.

Von Peter Angerer

Innsbruck –Mit der leichten erotischen Komödie „Belle Époque“ über einen Deserteur, der 1931 durch Spanien­ irrt, wurde der Regisseur Fernando Trueba 1993 weltberühmt. Als Oscar-Preisträger ließ er sich zu einer Hollywood-Karriere verführen, die erbärmlich scheiterte. Truebas Hollywood-Debüt „Two Much – Eine Blondine zu viel“ erntete nur Hohn und Spott und seither dreht er wieder kleine Filme und Musikdokumentationen, aus denen sich das Material für seinen oscarnominierten Animationsfilm „Chico & Rita“ ergeben hat.

Zwischen den Ruinen der kubanischen Hauptstadt Havanna schleppt Chico seine Schuhputzkiste zu seltenen Kunden. In seinem kargen Zimmer ist ein altes Kofferradio sein kostbarster Besitz, das ihn zum Träumen und in das Jahr 1948 bringt. Damals leuchtete Havanna als amerikanische Außenstelle der Sünde. Die Stadt wurde zwar von US-Gangstern beherrscht, doch der kubanischen Musik konnten sie nichts anhaben. Farbige Musiker mussten außerdem den Hintereingang benützen. Auch darum kümmerte sich Chico nicht. Alles sah so aus, als gehörte ihm als Pianisten und Komponisten die wie die bunten Neonschilder strahlende Zukunft.

Mit der Sängerin Rita wird alles noch viel besser. Chico kann sie aus dem Cabrio eines Amerikaners locken, aber der Macho weiß noch nichts von der Liebe, weshalb Rita ohne ihn ein Engagement in New York beginnt. In den nächsten 50 Jahren gibt es immer wieder private und berufliche Berührungspunkte, doch entweder sind es unglückliche Zufälle oder politische Ereignisse, die der Liebe im Weg stehen. Nach der Revolution ist in Kuba Jazz plötzlich „die Musik des Feindes“ und im boomenden Las Vegas scheitert Ritas große Karriere an den Besitzverhältnissen. Farbige Sängerinnen werden nicht nur für ihre künstlerischen Leistungen bezahlt. Tatsächlich müssen Chico­ & Rita wie die Damen und Herren vom Buena Vista Social Club bis ins hohe Alter auf Anerkennung und privates Glück warten.

Fernando Trueba drehte „Chico & Rita“ zuerst als Realfilm, den der spanische Zeichner Javier Mariscal anschließend im Rotoskopie-Verfahren mehr verfremdete als animierte. Trueba und Mariscal verzichten vollkommen auf Mimik in den Gesichtern, die einfach nur mit zwei Farbtönen für die Haut und die Lippen ausgemalt wurden. Diese Schlichtheit entspricht zwar den Möglichkeiten der Ära, von der erzählt wird, taugt aber doch eher für einen Kurzfilm.