Hochspannung vor EZB-Sitzung: Warten auf die Wunderwaffe
Die EZB muss signalisieren, dass der Euro nicht in Gefahr ist, sagen Befürworter der Anleihenkäufe. Die EZB begeht gefährlichen Vertragsbruch, die Inflation droht zu steigen, sind Gegner überzeugt.
PRO: Schon vor Wochen hat Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, angedeutet, dass die Notenbank hochverschuldeten Euroländern unter die Arme greifen werde. Ob das bedeutet, dass die EZB unbegrenzt Staatsanleihen der Krisenländer kauft und diese Intervention an diverse Bedingungen knüpft, wird der EZB-Rat heute entscheiden.
Für Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Bank Austria, hat das Einschreiten der Zentralbank vor allem Signalwirkung: „Diese Maßnahme hilft definitiv, um am Anleihemarkt wieder mehr Vertrauen zu schaffen.“ Für die Wirtschafts- und Währungsunion sei klar, dass der Euro für immer von Bestand sein sollte, daher liege es an der Europäischen Zentralbank, die Gemeinschaftswährung zu stützen und zu verteidigen. „Die Zentralbank wird vermutlich überwiegend Anleihen mit kurzer oder mittlerer Laufzeit kaufen und nicht bei der langfristigen Staatsfinanzierung eingreifen“, erklärt Bruckbauer. Eine Bedingung für die EZB-Hilfe werde sein, dass Länder wie etwa Spanien unter den dauerhaften Rettungsschirm schlüpfen müssen und dafür strikte Sparauflagen in Kauf nehmen. Der Reformdruck bleibt weiter bestehen.
Die EZB hat bereits seit mehr als zwei Jahren Staatsanleihen ihrer Sorgenkinder im Portfolio, das Volumen wird mit mehr als 200 Milliarden Euro beziffert. Alternativen zu dem umstrittenen Schritt stehen kaum zur Verfügung.
Die Befürworter interpretieren den Anleihenkauf auch nicht als jene illegale Staatsfinanzierung, die der Zentralbank als Währungshüterin verboten ist. „Notenbanken haben schon immer Staatsanleihen gekauft“, sagt Volkswirt Bruckbauer, „ich orte keinen Rechtsbruch.“ Die Glaubwürdigkeit der EZB bestehe darin, bei Krisen einzuschreiten, sagt er, „die offen ausgetragenen politischen Querelen wie in Deutschland schaden dem Ruf der EZB viel mehr als ein Einschreiten“.
Contra: Der oberste Bundesbanker Deutschlands, Jens Weidmann, ist strikt dagegen, dass die EZB die seit Langem erhoffte Wunderwaffe zückt und unbegrenzt Anleihen von kriselnden Staaten kauft. „Sollte die Zentralbank in den Anleihenmarkt einschreiten, wird das nur kurzfristige Effekte haben“, sagt Matthias Bank, Ökonom am Institut für Banken und Finanzen an der Universität Innsbruck.
Auch wenn die Zinsen auf Staatsanleihen sinken würden, so müssten noch alle alten Staatsschulden mit den hohen Zinssätzen zurückgezahlt werden. „Langfristig ist damit die Unabhängigkeit der EZB gefährdet.“ Weidmann selbst hatte die Anleihenkäufe als gefährliche Droge bezeichnet, von der man nicht genug bekommen könne. „Die Staaten sind offenbar nicht in der Lage, die Probleme in den Griff zu bekommen, also wird die EZB als Feuerwehr herangezogen.“
Die Zentralbank ist laut ihrer Statuten und den EU-Verträgen von Maastricht für die Preisstabilität verantwortlich. „Der gezielte Kauf der Staatsanleihen verstößt ganz klar gegen die Verträge“, sagt Bank, „aber wer soll darüber urteilen? Der Europäische Gerichtshof kann in dieser Causa nicht angerufen werden, wie etwa ein Bundesverfassungsgericht in Deutschland.“
Langfristig drohe, dass die Währungshüter die Preise nicht mehr unter Kontrolle haben. Eine steigende Inflation drohe: „Vier, fünf Prozent“, schätzt Finanzprofessor Bank, „doch es könnten im schlimmsten Fall auch zehn Prozent sein.“ Die Teuerung sei für den Staat eine gute Möglichkeit, Schulden loszuwerden.
Bank verweist auch auf die 489-Milliarden-Finanzspritze für die Banken, die in der Schuldenkrise „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“ gewesen war. Die Gegner der EZB-Intervention pochen vor allem auf Sparmaßnahmen und Reformen: „Das spürt der Bürger, die EZB-Schritte merkt niemand, das ist süßes Gift.“ (bea)