Syrien

Lähmung des Sicherheitsrats – „Syrisches Volk zahlt den Preis“

Seit dem Beginn des Syrien-Konfliktes vor 18 Monaten ist es den Mitgliedern des Sicherheitsrates nicht gelungen, sich auf eine gemeinsame Haltung zu einigen. „Den Preis für unsere Uneinigkeit zahlen die Zivilisten“, kritisierte der neue Präsident des Sicherheitsrates Peter Wittig am Mittwoch.

New York/Wien – UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hat dem Sicherheitsrat Untätigkeit im Syrien-Konflikt vorgeworfen. Die „Lähmung des Rats schadet dem syrischen Volk; sie schadet zudem seiner eigenen Glaubwürdigkeit“, sagte Ban am Mittwoch vor der UNO-Vollversammlung. Niemand dürfe wegsehen, während die „Gewalt zwischen den Gruppen außer Kontrolle gerät, der humanitäre Notstand eskaliert und sich die Krise über die Landesgrenzen hinweg ausbreitet“, mahnte der UNO-Generalsekretär weiter. Er rief alle Regierungen mit Einfluss auf die Akteure in Syrien auf, gemeinsam nach einer politischen Lösung zu suchen.

Witting: „Wir könnten nicht beunruhigter sein“

Der neue Präsident des UN-Sicherheitsrates, Deutschlands UNO-Botschafter Peter Wittig, hat die Unentschlossenheit der Vereinten Nationen zuvor ebenfalls kritisiert. „Den Preis für unsere Uneinigkeit zahlen die Zivilisten“, sagte Wittig am Mittwoch im UNO-Hauptquartier in New York. Russland und China hatten dreimal Resolutionen gegen das Regime im Sicherheitsrat mit ihrem Veto blockiert; derzeit ist die Situation völlig festgefahren.

„Wir bedauern, dass wir so gelähmt sind“, sagte Wittig. „Die Situation in Syrien ist dramatisch und wir könnten nicht beunruhigter sein.“ Seine Hoffnungen ruhten nun auf dem neuen Sondervermittler Lakhdar Brahimi. „Die Erwartungen an ihn sind hoch, und wir sollten aufpassen, sie nicht zu hoch zu schrauben.“ Die erste Priorität sei, das Töten zu beenden. „Aber es ist auch klar, dass sich (der syrische Präsident Bashar) al-Assad eines Tages für seine Taten verantworten muss“, sagte Wittig.

Ägyptens Präsident Mohammed Mursi forderte am Mittwoch Assad zum Rücktritt auf, da dessen Tage im Amt ohnehin gezählt seien. Mursi sagte am Mittwoch auf einer Sitzung der Arabischen Liga in Kairo an den Syrer Assad gerichtet: „Es ist Zeit für einen Wechsel, denn Sie werden ohnehin nicht länger an der Macht bleiben.“ Das syrische Volk habe bereits seine Entscheidung getroffen, fügte Mursi hinzu. „Herumtaktieren, Hinauszögern und Zeitvergeuden sind nicht angebracht.“

Die in Kairo versammelten Außenminister arabischer Staaten riefen die syrische Regierung am Mittwoch dazu auf, die Gewalt sofort zu beenden. Beide Konfliktparteien wurden aufgefordert, Zivilisten zu schonen. Der UN-Sicherheitsrat müsse alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in dem Konflikt juristisch zu verfolgen.

Appelle verhallen weiter ungehört

Alle Appelle an Regierung wie Aufständische in Syrien, die Gewalt zu beenden, verhallen weiter ungehört. Am Mittwoch starben nach Angaben von Aktivisten mehr als 270 Menschen. Allein 115 Menschen kamen demnach in Aleppo ums Leben. Artillerie der Regierungstruppen beschoss Wohnviertel in Aleppo. „Aleppo brennt“, sagte der Aktivist Bassam al-Halebi der Nachrichtenagentur dpa am Telefon.

Viele Opfer wurden im Schlaf überrascht, als sie im Morgengrauen das Trommelfeuer der Regime-Geschütze tötete, verstümmelte und verletzte. Aleppo, eine strategisch wichtige Handelsmetropole nahe der Grenze zur Türkei, ist seit eineinhalb Monaten zwischen Regimetruppen und Aufständischen umkämpft.

Angesichts des blutigen Konflikts forderte UNO-Generalsekretär Ban, dass alle Waffenlieferungen an die Konfliktparteien in Syrien umgehend beendet werden. „Jene, die Waffen an die eine oder andere Seite liefern, tragen nur weiter zur Not bei“, sagte er. Sie riskierten auch, dass sich die Kämpfe weiter ausweiteten.

Der Iran versorgt nach einem Bericht der New York Times das Assad-Regime weiterhin mit Militärgütern. Trotz Protesten der USA in Bagdad werde diese Versorgung über den irakischen Luftraum abgewickelt. Zwar habe Bagdad die Flüge auf Druck Washingtons Anfang des Jahres untersagt, sie seien aber im Sommer zum Ärger Washingtons wieder aufgenommen worden, berichtete die Zeitung unter Berufung auf namentlich nicht genannte US-Regierungsbeamte.

Auswirkungen auf Libanon, Jordanien und Türkei

US-Außenministerin Hillary Clinton zeigte sich enttäuscht über die Haltung Chinas und Russlands in der Syrienkrise. Beide Länder hatten mit ihrem Veto im UNO-Sicherheitsrat bisher ein härteres Vorgehen gegen das Regime in Damaskus verhindert. „Je länger es andauert, umso größer ist das Risiko, dass die Krise sich ausbreitet“, warnte Clinton. Es gebe bereits Auswirkungen auf den Libanon, Jordanien und die Türkei. Chinas Außenminister bekräftigte die Position der Nichteinmischung.

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle warf dem UN-Sicherheitsrat wegen der anhaltenden Gewalt in Syrien Versagen vor. „Nicht Europa versagt in der Syrien-Krise, sondern bedauerlicherweise immer noch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen“, sagte Westerwelle bei einem Treffen mit Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) am Mittwoch in Wien. (APA/dpa)