Nichte „wie Sklavin gehalten“: vier Jahre Haft für Ehepaar
Das Paar aus Tschetschenien wurde in Wien wegen Menschenhandels schuldig gesprochen. Die Urteile sind nicht rechtskräftig, da die Eheleute Berufung einlegten.
Wien – Weil sie ihre Nichte jahrelang „wie eine Sklavin“ gehalten haben sollen, ist am Donnerstag ein Ehepaar aus Tschetschenien am Wiener Strafandesgericht wegen Menschenhandels schuldig gesprochen worden. Ein Schöffensenat (Vorsitz: Ulrich Nachtlberger) verhängte über den 36-jährigen Ehemann und seine Frau jeweils vier Jahre unbedingte Haft. Die beiden, die sämtliche Vorwürfe abgestritten hatten, legten dagegen Berufung ein. Die Urteile sind somit nicht rechtskräftig.
Seinen Anfang hatte das Martyrium des Mädchens im Jahr 1999 in Grosny genommen. Damals soll der Erstangeklagte Ruslan M. gemeinsam mit seinem Bruder aus Habgier seinen wohlhabenden Vater, dessen neue Ehefrau sowie seine Cousine getötet und danach die Räumlichkeiten in Brand gesteckt haben. Die ebenfalls anwesende Nichte von M. wurde - aus nicht näher eruierbaren Gründen - verschont. Der Angeklagte bestritt vor Gericht den Mord wortreich: Nicht er, sondern vielmehr sein Bruder - „die Schande der Familie, ein drogensüchtiger Alkoholiker“ - habe die Bluttaten begangen und ihn zum Tatort gelockt, um ihm dann die Schuld an dem Verbrechen in die Schuhe schieben zu können.
Am darauffolgenden Tag flüchtete das Ehepaar gemeinsam mit seinem Sohn nach Kasachstan, um einer etwaigen „Blutrache“ zu entgehen. Die damals zwölfjährige Nichte wollte sie nach ihren Angaben unbedingt begleiten, um später „Medizin studieren zu können“. Die Mutter des Mädchens - „eine Analphabetin, die der Gelegenheitsprostitution nachgegangen ist“ - habe ihnen auch eine entsprechende Vollmacht und die Geburtsurkunde überreicht. Inzwischen sind die Schriftstücke allerdings verloren gegangen.
Die Familie schlug sich dann nach Baku in Aserbaidschan durch, wo ihnen aufgrund des Tschetschenien-Krieges Flüchtlingsstatus eingeräumt worden ist. Die Behörden glaubten dem Erstangeklagten auch, dass er in einem russischen Lager gewesen ist. Bereits aus dieser Zeit liegen Zeugenaussagen vor, denen zufolge die Nichte zur Arbeit genötigt worden ist. So soll sie etwa gezwungen worden sein, die Sesselleisten mit einer Zahnbürste zu reinigen.
Drei Jahre später verließ die Familie Baku, um in Österreich Asyl zu beantragen. Ihre Nichte gaben sie dabei als ihre Tochter aus. In Wien soll das Paar die Nichte geschlagen, beschimpft und zu schweren Arbeiten gezwungen haben. Nach außen hin wurde sie abgeschottet. Die junge Frau entkam der Situation erst, als sie hinter dem Rücken der Eltern heiratete und schließlich ihrem Mann von ihrem Schicksal berichtete. Zudem nahm sich eine Tante um sie an, die ebenfalls in Österreich wohnt. (APA)