Euro-Kritiker fordern rechtliche Schritte gegen EZB-Anleihenkauf
Die EZB hat beschlossen, unter überhöhten Zinsen am Markt leidende Euro-Krisenländer durch den unbegrenzten Aufkauf von Staatsanleihen zu stützen. Scharfe Kritik an dem Beschluss kommt aus Deutschland.
Berlin – Nach dem Beschluss der Europäischen Zentralbank (EZB) zum unbegrenzten Staatsanleihen-Kauf aus Euro-Krisenländern haben Kritiker der Euro-Rettungspolitik rechtliche Schritte gefordert. „Diese Beschlüsse widersprechen dem in den Verträgen von Maastricht und Lissabon ausdrücklich festgelegten Verbot der Staatsfinanzierung“, sagte der CSU-Politiker Peter Gauweiler der „Augsburger Allgemeinen“ vom Freitag. Die Bundesregierung müsse dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgehen.
Der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler sagte am Freitag im Deutschlandradio Kultur, es sei europäisches Recht gebrochen worden, indem die Notenbank zur Staatsfinanzierung missbraucht werde. Dagegen müsse Deutschland vorgehen. „Die EZB wird jetzt zur ‚Bad Bank‘ aller Schrottpapiere in Europa“, kritisierte Schäffler. „Das, was da gestern passiert ist, hat historische Dimension. Das hat es in dieser Form noch nicht gegeben.“ Durch den Schritt der EZB würden Investoren und Banken aus der Haftung entlassen. „Die versuchen jetzt, ihre Papiere loszuwerden zulasten des Steuerzahlers.“
Die EZB hatte gestern trotz heftiger Kritik aus Deutschland beschlossen, unter überhöhten Zinsen am Markt leidende Euro-Krisenländer durch den unbegrenzten Aufkauf von Staatsanleihen zu stützen. Die Notenbank will unter strengen Auflagen Schuldpapiere mit einer Laufzeit zwischen einem und drei Jahren erwerben. Hilfsbedürftige Staaten sollen sich dazu vollständig oder teilweise unter die Kontrolle der beiden Euro-Stabilisierungsfonds EFSF und ESM stellen, die begleitend Staatsanleihen aufkaufen sollen.
Auch die Bürger in Deutschland sehen die Entscheidung einer Umfrage zufolge kritisch. Die Hälfte der Befragten findet eine Wiederaufnahme des Aufkaufs falsch, wie aus dem am Donnerstagabend veröffentlichten ARD-Deutschlandtrend im Auftrag der „Tagesthemen“ hervorgeht. Nur 13 Prozent fanden dies demnach richtig, 36 Prozent trauten sich kein Urteil zu. Für die repräsentative Erhebung befragte Infratest dimap zu Wochenbeginn 1003 Wahlberechtigte.
Asmussen verteidigt Anleihe-Programm
EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen hat das Anleihe-Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank im Kampf gegen die Schuldenkrise verteidigt. Wichtig sei, dass Rahmenbedingungen für mögliche Anleihekäufe klar definiert worden seien, sagte Asmussen am Freitag im Info-Radio des rbb. „Sie werden nur stattfinden können, wenn der betroffene Staat sich harten Reformauflagen unterwirft. Das ist eine zwingende, eine notwendige Voraussetzung für unser Handeln.“ Das sei das entscheidende Merkmal des EZB-Anleihe-Programms. Es dürfe nicht dazu führen, dass der Reformdruck auf die betroffenen Staaten nachlasse.
Der EZB-Beschluss entwerte nicht die politischen Entscheidungen, sagte Asmussen. Notenbanken-Handeln könne nicht ansatzweise das Handeln von Regierungen ersetzen. Alle müssten ihren Teil dazu beitragen, dass der Euro unumkehrbar sei. „Wir werden unseren Teil tun, im Rahmen unseres Mandats.“ Die Regierungen müssten ihren Teil tun in der Fiskalpolitik und mit Strukturreformen. EZB und Politik müssten in Unabhängigkeit zusammenwirken, um in dieser schwierigen Situation die Stabilität des Euro zu sichern. Die Gefahr höherer Inflation sehe er nicht. Die EZB werde im Gegenzug auch Liquidität abschöpfen. „Wir sehen keinen Inflationsdruck“. Die Inflation werde im nächsten Jahr unter zwei Prozent liegen.
Monti sieht Wichenstellung positiv
Italiens Regierungschef Mario Monti bewertet den EZB-Plan zum unbegrenzten Kauf von Staatsanleihen positiv und blickt optimistisch in die Zukunft des hochverschuldeten Landes. „Wenn Italien sich weiterhin mit einem Bewusstsein für Disziplin und Reform bewegt, könnten diese Hilfen nicht notwendig werden“, zitieren die italienischen Medien am Freitag Äußerungen Montis vom Vorabend. „Und ich glaube, sie werden nicht notwendig sein“, fügte er an. Das Wort „Hilfen“ sei (mit dem EZB-Plan) andererseits auch entdramatisiert.
Der rechtsliberale Mailänder „Corriere della Sera“ spricht in dem Zusammenhang von einem aufkeimenden Vertrauen in die Fähigkeiten des Landes, auf die von EZB-Chef Mario Draghi angekündigten Maßnahmen verzichten zu können. Draghis Plan sei ein wichtiger Schritt voran auf dem Weg zu einer zufriedenstellenderen Steuerung der Euro-Zone, hatte Monti am Donnerstagabend im Beisein von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso gesagt. Europa zeichne sich im übrigen dadurch aus, dass es Anstoß und Ansporn aus einer Krise ziehen könne.
Für Monti könnte der Tag der EZB-Weichenstellung zu einem Wendepunkt werden, so am Freitag die liberale Turiner „La Stampa“: „Seit Mai ist er es gewesen, der in einer für das Thema noch nicht sensibilisierten EU für eine andere „europäische Steuerung“ gekämpft hat.“ Ihm sei es um eine „Governance“ gegangen, die in der Lage sein sollte, die Brände der Spekulanten mit möglichst großen Hydranten zu löschen. Die Zeitung sieht eine „große Zufriedenheit“ Montis, der mit einem selten breiten Lächeln die EZB-Beschlüsse kommentiert habe. (APA/AFP/Reuters/dpa)